Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung einer Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit
Leitsatz (amtlich)
Hat die Sachverständige von der Bevollmächtigten einer Partei übergebene Unterlagen (Schriftverkehr, Arztberichte) verwertet und zum Gegenstand ihres Gutachtens gemacht, ohne dies dem Gericht und der gegnerischen Partei unverzüglich vorab zu offenbaren und damit ihr die Möglichkeit genommen worden, vor Abschluss des Gutachtens sich mit der umfangreichen Zusatzakte von 316 Seiten auseinanderzusetzen und aus seiner Sicht bestehende Einwände vorzutragen, stellt dies eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der anderen Partei dar.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2, § 406 Abs. 1 S. 1; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 1 O 106/07) |
Tenor
Die Ablehnung der Sachverständigen Dr. med. Dipl.-Psych.M. Graf-M. wegen Besorgnis der Befangenheit durch den Beklagten wird für begründet erklärt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines notariellen Hofübergabevertrages aus dem Jahre 2006.
Der Senat hat gemäß Beweisbeweisbeschluss vom 5.1.2011 (GA 521) Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Behauptungen der Klägerin angeordnet, sie sei im Frühjahr 2006 und insbesondere zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Hofübergabevertrages vor dem Notar Dr. Scheugenpflug am 4.4.2006 geschäftsunfähig gewesen, was letztlich auch zu ihrem stationären Aufenthalt am 19.5.2006 in der Landesnervenklinik A. (geschlossene Akutpsychiatrie) geführt habe. Sie habe sich seit 2001 in einem schwerstkranken psychischen und physischen Zustand befunden. Mit der Erstellung des Gutachtens ist die Sachverständige Frau Oberärztin Dr. med. M., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität M., beauftragt worden. Die Sachverständige hat mit Schreiben vom 30.12.2011 ihr Gutachten vorgelegt (GA 565 ff.). Die Sachverständige ist in ihrem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Hofübergabevertrages aufgrund einer psychischen Erkrankung und deren Ausprägungsgrades die Voraussetzungen für eine vorübergehende Geschäftsunfähigkeit gegeben gewesen seien. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 6.2.2011 (GA 617 ff.,) die Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Der Beklagte führt hierzu im Wesentlichen aus, aus dem Gutachten ergäben sich mehrere Umstände, aus denen sich ein subjektives Misstrauen des Beklagten in die Unparteilichkeit der Gutachterin rechtfertige. So ergebe sich aus dem Gutachten, dass die Gutachterin von der Prozessbevollmächtigten und zugleich Betreuerin der Klägerin überreichte Unterlagen von 316 Seiten verwertet habe. Dabei sei nicht ersichtlich, um welche Unterlagen es sich handele. Ihm, dem Beklagten, sei hierzu kein rechtliches Gehör gewährt worden. Weiter wird gerügt, dass die Gutachterin sich einseitig mit dem Parteivortrag und den Zeugenaussagen in der ersten Instanz (Zeuge S., GA 360, 618) befasst und nur auszugsweise zitiert habe. Die Gutachterin habe aus Schreiben der Klägerin betreffend die Beweiswürdigung zitiert. Dies müsse beim Beobachter den Eindruck erwecken und verstärken, dass die Gutachterin nicht die für die objektive Erfüllung des gerichtlichen Gutachtensauftrags erforderliche Distanz zur Klägerin bzw. deren Bevollmächtigte habe. Schreiben des Beklagten würden nur zitiert, wenn dies zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis passe. So sei nicht berücksichtigt worden, dass die von der Klägerin vorgetragene Suiziddrohung im Jahre 2001 nur deshalb erfolgt sei, um in ihrem Umfeld ihren Willen durchsetzen zu können. Er, der Beklagte, habe bereits in der Klageerwiderung vorgetragen, dass die Klägerin nach dem Ableben ihres Ehemanns keineswegs antriebsarm und zurückgezogen gewesen sei (GA 618). Die Gutachterin setze sich nicht mit der Möglichkeit auseinander, dass die Klägerin einen psychischen Ausnahmezustand bewusst oder jedenfalls verstärkt einsetze, um andere Personen, einschließlich der Ärzte, zu manipulieren (GA 618 f.). Die Gutachterin habe bei der Dokumentation der vorhandenen ärztlichen Berichte nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Arztberichte aus dem Jahre 2006 auf anamnestischen Angaben der Klägerin beruhten. Die Gutachterin habe anamnestische Angaben der Klägerin, die jetzt Parteivortrag seien, unkritisch übernommen und als wahr unterstellt (GA 619). Es sei nicht gewürdigt worden, dass die Vorfälle aus dem Jahr 2001, die zur Behandlung der Klägerin führten, zwischen den Parteien streitig seien (GA 619). Die Diagnose " schwere depressive Episode bei rezidivierender Depression im Jahre 2006" könne nicht auf eine streitige Diagnose einer depressiven Situation im Jahre 2001 gestützt werden. Die Annahme einer depressiven Episode seit Ende2005/Anfang 2006 beruhe ebenfalls auf einer unzureichenden Tatsachenfeststellung (GA 620). Die Gutachterin habe den Arztbericht der Rheinhessen-Fachklinik (Dr. med. Reinert) vom 24.11.2006 berücksichtigt, der sich in d...