Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhungsgebühr - Anrechnung - PKH
Leitsatz (amtlich)
1.) Wird mit einem PKH-Antrag unbedingte Klage erhoben, sind die Beklagten nicht verpflichtet, den Auftrag zur Rechtsverteidigung auf das Prozesskostenhilfeverfahren zu beschränken.
2.) Ist die Verfahrens- und die Erhöhungsgebühr für den Beklagtenvertreter entstanden, entfällt die Erhöhungsgebühr nicht dadurch, dass einer von zwei Beklagte noch vor der Zustellung der Klage verstirbt.
3.) Hat der Erblasser die vorgerichtliche Geschäftsgebühr des Rechtsanwaltes gezahlt, ist der alleinerbende Dritte (hier die Klägerin) im Sinne des § 15a RVG so zu behandeln, als stamme die Zahlung von ihm.
Normenkette
RVG §§ 7, 15a; RVG-VV Nrn. 3100, 1008; RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Trier (Aktenzeichen 26 VI 321/15) |
LG Trier (Aktenzeichen 5 T 44/16) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 16.06.2016 gegen den Beschluss des LG Mainz vom 13.05.2016 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss dahin abgeändert, dass die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf 3.294,81 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.02.2015 festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin 25 %, die Beklagte 75 %.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.788,03 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin erhob am 31.12.2012 gegen die Beklagte und den am 21.05.2013 verstorbenen... unbedingte Klage verbunden mit einem Prozesskostenhilfeantrag. Darauf bestellte sich der jetzige Bevollmächtigte der Beklagten für beide Beklagten am 29.01.2013 und nahm zum Prozesskostenhilfeantrag Stellung. Der Klägerin wurde mit Beschluss des LG Mainz am 29.04.2013 zunächst die begehrte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage versagt. Nachdem die Klägerin mit der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde weiter vorgetragen hatte, wurde ihr am 07.07.2013 im Wege der Abhilfe Prozesskostenhilfe gewährt, die Klage dann am 09.07.2013 formell zugestellt.
Alleinerbin nach dem Beklagten zu 2) ist die Klägerin. Der Verstorbene hatte am 18.11.2009 einen Vorschuss auf die vorgerichtliche Geschäftsgebühr von 2.146,50 EUR netto an den Bevollmächtigten der Beklagten gezahlt.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom12.02.2015 hat die Beklagte u.a. die Festsetzung einer 0,3 Erhöhungsgebühr von 429,30 EUR netto beantragt, zugleich unter Berufung auf § 15a Abs. 2 RVG auf eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr verzichtet. Dagegen wendet sich die Klägerin. Der Beklagte zu 2) sei noch vor der Zustellung der Klage verstorben, weshalb keine Erhöhungsgebühr angefallen sei. Im Übrigen sei die gezahlte Geschäftsgebühr anzurechnen.
Das LG hat die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten mit dem angefochtenen Beschluss antragsgemäß auf 4.571,98 EUR festgesetzt und die Einwände der Klägerin zurückgewiesen. Die Erhöhungsgebühr sei schon vor dem Tod des ehemaligen Beklagten zu 2) entstanden. Die Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG lägen nicht vor, so dass eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nicht in Betracht komme.
Gegen den ihr am 04.06.2016 zugestellten Beschluss wendet sich die Klägerin unter Weiterverfolgung ihrer Einwendungen mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 16.06.2016. Die Erhöhungsgebühr sei in der Person der Beklagten nach § 7 Abs. 2 RVG gar nicht entstanden, im Übrigen auf das Prozesskostenhilfeverfahren beschränkt gewesen. Die Voraussetzungen der Anrechnung lägen vor.
Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat einen teilweisen Erfolg. Zu Recht hat das LG die Erhöhungsgebühr als entstanden und erstattungsfähig angesehen. Übersehen hat es, dass die Voraussetzungen des § 15a RVG mit dem Erbfall in der Person der Klägerin vorliegen und eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr rechtfertigen.
1. Vertritt der Rechtsanwalt gerichtlich in derselben Angelegenheit mehrere Personen, so erhöht sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VVRVG für jede weitere Person um eine 0,3-Gebühr nach Nr. 1008 VVRVG. Die Erhöhungsgebühr fällt damit im gleichen Zeitpunkt an, wie die Verfahrensgebühr. Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VVRVG fällt die Verfahrensgebühr für das gesamte Betreiben des Geschäftes einschließlich der Information an und damit spätestens mit der Entgegenahme der Klageschrift nebst Prozesskostenhilfeantrag und der hierauf bezogenen Informationsbeschaffung. Aus den Darlegungen des Bevollmächtigten der Beklagten, die anwaltlich versichert sind (§ 104 Abs. 2 S. 1 ZPO) ergibt sich, dass dieser einen unbedingten Auftrag zur Rechtsverteidigung hatte, der nicht auf die Vertretung im Prozesskostenhilfeverfahren beschränkt war. Deshalb ist die Verfahrensgebühr mit der Erhöhungsgebühr im Januar 2013 und damit vor dem Erbfall entstanden. Wegen der generalisierenden und typisierenden Charakters der Gebühr kommt es nicht...