Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr bei Gesamtvergleich
Leitsatz (amtlich)
Eine als Nebenforderung zur Hauptsache eingeklagte Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV wird durch einen Prozessvergleich über sämtliche Forderungen auch dann tituliert i.S.v. § 15a Abs. 2 RVG, wenn zwar kein bezifferter oder bestimmbarer Einzelbetrag als auf die Geschäftsgebühr entfallend vereinbart ist, die Auslegung des Vergleichs aber ergibt, dass die Geschäftsgebühr umfassend abgegolten sein soll (Abweichung und Klarstellung zu OLG Karlsruhe 13 W 159/09 und OLG Stuttgart 8 W 132/10).
Normenkette
RVG § 15a Abs. 2; RVG-VV Nrn. 2300, 3100; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
LG Trier (Beschluss vom 21.06.2010; Aktenzeichen 6 O 226/09) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Trier vom 21.6.2010 geändert und wie folgt neu gefasst.
Nach dem bei dem LG Trier geschlossenen Vergleich der Parteien vom 6.5.2010 werden die von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 821,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.5.2010 festgesetzt.
2. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
3. Der Beschwerdewert beträgt 448,66 EUR (3/4 von 598,21 EUR).
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren um die Anrechnung der eingeklagten Geschäftsgebühr bei späterer Prozessbeendigung durch einen Vergleich. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Gegenstand der Klage war eine bei Prozessbeginn auf 27.571,31 EUR nebst Zinsen. bezifferte Restwerklohnforderung. Außerdem hatte die klagende Baufirma unter 4. der Klageschrift beantragt, den Beklagten zu verurteilen, sie von einer 1,3 Geschäftsgebühr für die vorprozessuale Vertretung "freizustellen" (einschließlich Mehrwertsteuer 1.196,43 EUR).
Wegen einer noch vor Klagezustellung erfolgten Zahlung von 15.524,20 EUR erklärte die Klägerin den Rechtsstreit wegen dieses Betrages zunächst in der Hauptsache für erledigt; später nahm sie die Klage insoweit zurück.
In einem nachfolgenden Schriftsatz teilte die Klägerin mit, sie habe einen Gegenanspruch des Beklagten von 8.393,51 EUR übersehen, gegen den sie aufrechne und im Umfang der Aufrechnung die Hauptsache für erledigt erkläre. Dem widersprach der Beklagte nicht.
Sodann beendeten die Parteien den Rechtsstreit durch folgenden Vergleich:
1. Der Beklagte zahlt an die Klägerin zum Ausgleich der Klageforderung einschließlich von Ziff. 4) der Klageforderung 3.600 EUR.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¼ und der Berklagte zu ¾.
Bei der Kostenausgleichung hat die Rechtspflegerin auf Klägerseite antragsgemäß eine 1,3 Verfahrensgebür aus einem Streitwert von 27.571,31 EUR berücksichtigt (netto 985,40 EUR).
Mit seiner sofortigen Beschwerde beanstandet der Beklagte, dass eine Geschäftsgebühr von 1.196,43 EUR (brutto - Ziff. 4. der Klage) ausdrücklich mitverglichen und daher abgegolten sei. Dementsprechend habe eine Anrechnung auf die gerichtliche Verfahresgebühr zu erfolgen.
Das hat die Rechtspflegerin abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Umfang der anteilig mitverglichenen Geschäftsgebühr ergebe sich aus dem Vergleich nicht. Daher könne sie auch nicht bestimmen, in welcher Höhe eine Anrechnung zu erfolgen habe.
Das bekämpft die zulässige sofortige Beschwerde mit Erfolg.
Die Frage, ob und wie bei einem Vergleich mit Abgeltungsklausel die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr in der Kostenausgleichung vorgenommen werden muss, wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert (vgl. die Nachweise bei Enders in JurBüro 2010, 281 ff.).
Der Senat hat bereits entschieden (Beschl. v. 23.4.2010 - 14 W 220/10), dass eine Titulierung der Geschäftsgebühr i.S.v. § 15a Abs. 2 zweite Alternative RVG nicht erfolgt ist, wenn in einem gerichtlichen Vergleich mit allgemeiner Abfindungsklausel der zur Abgeltung der Geschäftsgebühr bestimmte Betrag nicht konkret beziffert ist. Ohne eine derartige Festlegung sei nicht erkennbar, in welchem Umfang die Zahlung des Gesamtbetrages anteilig auf vorgerichtliche Kosten des Klägers erfolge. Auf dieser Linie bewegt sich die Entscheidung der Rechtspflegerin, die sich zur Begründung ihrer Rechtsansicht auf Beschlüsse des OLG Stuttgart (8 W 132/10) und des OLG Karlsruhe (13 W 159/09) stützt. Dabei ist jedoch ein nach Auffassung des Senats entscheidungserhebliches Detail unberücksichtigt geblieben. Im Einzelnen:
Der sofortigen Beschwerde ist zunächst darin beizupflichten, dass der erst am 5.8.2009 in Kraft getretene § 15a RVG auch auf Altfälle angewendet werden muss. Zur näheren Begründung wird insoweit auf den in AGS 2009, 420 abgedruckten Senatsbeschluss vom 1.9.2009 verwiesen (14 W 553/09).
Die Rechtspflegerin hat auch richtig gesehen, dass die vorgerichtliche Geschäftsgebühr im Fall des OLG Stuttgart nicht i.S.v. § 15a Abs. 2 zweite Alternative RVG tituliert war. Die Zahlungsve...