Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsgebühr bei streitiger Verhandlung nach Versäumnisurteil
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 09.07.2010; Aktenzeichen 8 O 293/08) |
Tenor
1. Unter Zurückweisung des weiter greifenden Rechtsmittels wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Koblenz vom 9.7.2010 auf die sofortige Beschwerde der Klägerin teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten (beim OLG Koblenz geschlossener Vergleich der Parteien vom 7.5.2010 - 10 O 822/09) werden auf 3.961,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinsatz
a. aus 1.358,70 EUR seit dem 25.6.2009 und
b. aus weiteren 2.603 EUR seit dem 4.6.2010
festgesetzt.
2. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben zu tragen:
Die Klägerin 79,37 %;
die Beklagte 20,63 %.
3. Die gerichtlichen Kosten der erfolglosen Beschwerde fallen der Klägerin zur Last.
4. Der Beschwerdewert beträgt 707,49 EUR.
Gründe
Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren,
a. ob bei Erlass eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren (§ 331 Abs. 3 ZPO) die spätere Parteivereinbarung, dass die Beklagte die gesamten Kosten der Säumnis trägt, die Überbürdung einer 0,5 Gebühr nach 3105 VV - RVG rechtfertigt, wenn nach der Säumnisentscheidung für eine streitige Verhandlung eine 1,2 Terminsgebühr nach 3104 VV - RVG entstanden ist,
b. um die Anrechnung der eingeklagten Geschäftsgebühr bei späterer Prozessbeendigung durch einen Vergleich mit Abgeltungsklausel.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Antragsgemäß erging gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren, das sich auch auf die eingeklagte Geschäftsgebühr von 1.459,90 EUR für die vorprozessuale Vertretung erstreckte. In zweiter Instanz schlossen die Parteien einen Vergleich, dessen Ziff. 2 regelt, dass
"mit dem Abschluss dieses Vergleichs der Rechtsstreit umfassend und in allen Einzelpunkten endgültig erledigt ist".
Die Kosten des Rechtsstreits übernahm zu 4/5 die Klägerin und zu 1/5 die Beklagte. Ausgeklammert blieben die Kosten der Säumnis; diese übernahm die Beklagte.
Die von der Klägerin zur Ausgleichung angemeldeten Kosten erster Instanz hat der Rechtspfleger wie folgt gekürzt:
a. Die umfassende Belastung der Beklagten mit einer 0,5 Gebühr nach 3105 VV -RVG sei nicht möglich, weil diese Gebühr in der im streitigen Verfahren später entstandenen 1,2 Terminsgebühr nach 3104 VV - RVG aufgegangen sei,
b. die Verfahrensgebühr (3100 VV - RVG) verringere sich hälftig um 729,95 EUR, weil im Vergleich die Geschäftsgebühr (2300 VV - RVG) tituliert und damit auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei (Vorbemerkung Teil 3 Abs. IV VV - RVG).
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde.
Das zulässige Rechtsmittel ist hinsichtlich der Säumniskosten unbegründet; im Übrigen (Anrechnung der Geschäftsgebühr) hat es Erfolg.
a. Für die Klägerin sind wegen der Säumnis der Beklagten im schriftlichen Vorverfahren keine Mehrkosten angefallen. Auf den fristgemäßen Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil ist beim LG am 15.5.2009 streitig verhandelt worden. Dadurch ist für beide Anwälte eine 1,2 Terminsgebühr nach 3104 VV - RVG entstanden. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Dass es sich bei dem Verfahren vor und nach dem Versäumnisurteil um dieselbe Angelegenheit handelt, steht außer Zweifel. Die zunächst angefallene 0,5 Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV - RVG ist in der höheren Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV - RVG aufgegangen (vgl. Bischof, RVG Kommentar, 3. Aufl. Rz. 43 zu Nr. 3105 RVG-VV und Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl. Rz. 2 zu § 344 ZPO). Das erschließt sich auch daraus, dass die früher maßgebliche Bestimmung des § 38 Abs. 2 BRAGO, wonach der Rechtsanwalt unter bestimmten Voraussetzungen die Gebühr für die zum Versäumnisurteil führende Verhandlung gesondert erhielt, nicht in das RVG übernommen worden ist. Nach dem RVG wird die Säumnis einer Partei nicht mehr kostenrechtlich sanktioniert, wenn eine streitige Verhandlung nachfolgt. Der Rechtspfleger hat demnach richtig entschieden.
Die von der sofortigen Beschwerde zitierte Kommentierung bei Gerold/Schmidt besagt nichts Gegenteiliges.
b. Das Rechtsmittel ist begründet, soweit die Klägerin sich gegen die Auffassung des Rechtspflegers wendet, im Vergleich sei die Geschäftsgebühr für die vorprozessuale Anwaltstätigkeit tituliert und daher anzurechnen.
Zutreffend geht das LG allerdings davon aus, dass § 15a Abs. 2 RVG in der Fassung vom 4.8.2009 in allen laufenden Verfahren anzuwenden ist. Das hat der Senat bereits entschieden. Auf den in AGS 2009, 420 abgedruckten Beschluss vom 1.9.2009 (14 W 553/09) wird verwiesen.
Nach § 15a Abs. 2 RVG kann sich ein Dritter (hier: die Beklagte) auf die Anrechnung aber nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, beide Gebühren im selben Verfahren gegen ihn geltend gemacht wurden (beide Varianten scheide...