Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung eines Arzthaftungsprozesses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aussetzung eines Arzthaftungsprozesses im Hinblick auf ein wegen desselben Sachverhalts geführtes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ist in der Regel ermessensfehlerhaft, weil keine für die zivilrechtliche Haftungsfrage relevanten Erkenntnisse zu erwarten sind.

2. Der Gegenstandswert einer Beschwerde gegen eine Aussetzungsentscheidung ist im Allgemeinen auf 1/5 des Hauptsachewertes zu bemessen.

 

Normenkette

ZPO §§ 3, 149, 252; BGB §§ 823, 847; StPO §§ 152, 160

 

Verfahrensgang

LG Trier (Beschluss vom 19.09.2005; Aktenzeichen 4 O 100/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Trier vom 19.9.2005 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Der Beschwerdewert beträgt 5.800 EUR.

 

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen den Beschluss des LG, den hiesigen Zivilprozess, in dem der Beklagte mit der Behauptung eines ärztlichen Behandlungsfehlers und einer unzureichenden Aufklärung in Anspruch genommen wird, bis zum Ende des parallel laufenden Strafverfahrens auszusetzen. Mit diesem nach § 252 ZPO zulässigen Rechtsmittel hat er in der Sache Erfolg.

Allerdings sind Aussetzungsentscheidungen, die - wie im vorliegenden Fall - mit Bezug auf § 149 ZPO ergehen, im allgemeinen nur beschränkt überprüfbar, weil sie grundsätzlich im richterlichen Ermessen stehen (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 149 Rz. 11). Anders verhält es sich jedoch in Arzthaftpflichtsachen. Hier kommt eine Aussetzung regelmäßig nicht in Betracht (OLG Koblenz v. 25.5.2004 - 5 W 357/04, GesR 2004, 378 = OLGReport Koblenz 2004, 522 f.; OLG Köln VersR 1989, 518 f.; v. 8.5.1989 - 27 W 15/89, VersR 1989, 1201; OLG Stuttgart v. 17.12.1990 - 14 W 5/90, NJW 1991, 1556). Aus begleitenden Strafverfahren können nämlich durchweg keine Erkenntnisse erwartet werden, die so gewichtig sind, dass der Zivilrechtsstreit zunächst nicht weiter betrieben zu werden bräuchte.

Das ist unabhängig davon, dass strafrechtliche Ermittlungen gegen Ärzte häufig gem. §§ 153, 153a StPO eingestellt werden. Denn sie bringen auch dann für einen Zivilrechtsstreit wenig verwertbare Erkenntnisse, wenn dies nicht geschieht. Der Grund dafür liegt in den unterschiedlichen Verschuldensmaßstäben und namentlich in den besonderen Beweislastregeln, die dem Patienten zivilprozessual zugute kommen.

Die Erwägung des LG, die angeordnete Verfahrensaussetzung mache im hiesigen Rechtsstreit eine an sich erforderliche weitere Beweisaufnahme darüber entbehrlich, ob der Beklagte fehlerhaft gehandelt hat und ob sein Verhalten schadensursächlich war, trifft nicht zu. Genauso wenig wird es auf diese Weise verzichtbar, den Beweisanträgen zur Aufklärung des Klägers nachzugehen. Zwar können die Ergebnisse, zu denen das Strafverfahren führt, urkundenbeweislich verwertet werden. Aber der Anspruch der Parteien, dass unmittelbar im Zivilprozess zu dem maßgeblichen Geschehen Sachverständige befragt und Zeugen gehört werden, wird dadurch nicht berührt (BGH NJW-RR 1997, 3096 f.; v. 6.6.2000 - VI ZR 98/99, MDR 2000, 1148 = NJW 2000, 3072 [3073]; OLG Hamm v. 6.2.2002 - 20 U 167/01, OLGReport Hamm 2002, 292 = NJW-RR 2002, 1653).

Der Kostenausspruch beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Für den Beschwerdewert ist 1/5 des Streitwerts der Hauptsache maßgeblich, der 29.000 EUR beträgt (Thomas/Putzo, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rz. 24, m.w.N.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1443812

ZAP 2005, 1229

ZAP 2006, 638

ArztR 2006, 330

MDR 2006, 289

MedR 2006, 177

VersR 2006, 140

AGS 2005, 560

GesR 2005, 550

NJOZ 2005, 4825

OLGR-West 2006, 83

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