Entscheidungsstichwort (Thema)
Erörterungsgebühr im selbständigen Beweisverfahren in Altfällen
Leitsatz (amtlich)
1. Auch im selbständigen Beweisverfahren (§ 48 BRAGO) kann eine Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO entstehen.
2. Dass das Gericht die Parteien nach § 492 Abs. 3 ZPO "zur Erörterung" geladen hat, besagt nicht, dass jedweder Gedankenaustausch in einem derartigen Termin die Gebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO auslöst.
3. Die "Erörterung" des schriftlichen Gutachtens mit dem Sachverständigen ist Teil der Beweisaufnahme und durch die Beweisgebühr abgegolten.
Normenkette
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 4, § 48; ZPO §§ 485, 492 Abs. 3; RVG § 61
Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Beschluss vom 20.12.2005; Aktenzeichen 2 O 166/05) |
Tenor
Die nach dem Urteil des LG Bad Kreuznach vom 20.12.2005 (AktZ. 2 O 166/05) und die nach dem Beschluss des OLG Koblenz vom 27.7.2006 (AktZ. 6 U 108/06) von den Klägerinnen an die Beklagte zu er-stattenden Kosten werden auf 5.674, 52 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.8.2006 festgesetzt.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens (Wert: 338 EUR) zu tragen.
Gründe
Die gegen die Festsetzung einer Erörterungsgebühr eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerinnen ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.
1. Im dem dem Prozess vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahren des LG Bad Kreuznach (Aktz. 2 OH 31/03) war nach dem Eingang des Sachverständigengutachtens vom 2.11.2004 mit Verfügung vom 16.11.2004 Termin zur Anhörung des Sachverständigen bestimmt worden. Im Termin vom 19.1.2005 nahm der Sachverständige Stellung zu den von den Beteiligten aufgeworfenen Fragen betreffend die Begutachtung und deren Ergebnisse. Danach wurde der Sachverständige im allseitigen Einvernehmen unvereidigt entlassen und die Feststellung getroffen, dass das selbständige Beweisverfahren damit abgeschlossen sei
Dieser Sachverhalt rechtfertigt nicht die Festsetzung einer Erörterungsgebühr.
2. Gemäß § 48 BRAGO erhält der Rechtsanwalt im selbständigen Beweisverfahren die in § 31 BRAGO bestimmten Gebühren. Die Erörterungsgebühr ist geregelt in § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO und fällt an "für die Erörterung der Sache, auch im Rahmen eines Versuchs zur gütlichen Beilegung".
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Nach § 492 Abs. 3 ZPO kann das Gericht die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Daher ist der Anfall einer Erörterungsgebühr rechtlich vorgesehen.
Im vorliegenden Fall fehlt es aber schon an der Anberaumung eines Erörterungstermins; vielmehr ist Termin zur Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen gem. 411 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 492 Abs. 1 ZPO bestimmt worden. Im Termin vom 19.1.2005 haben keinerlei Erörterungen der Parteien zur "Hauptsache" stattgefunden. Auch sind keine Versuche zur gütlichen Regelung unter Mitwirkung der Beteiligten unternommen worden. Die "Erörterung" des Sachverständigengutachtens ist Teil der Beweisaufnahme und durch die Beweisgebühr, die der Rechtsanwalt schon verdient hat, abgegolten (OLG Schleswig JurBüro 1996, 374 mit zust. Anmerkung von Hansens; im Ergebnis ebenso mit zT. unterschiedlicher Begründung die Kommentarliteratur - vgl. Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. A., "Erörterungsgebühr" 4.2.2 S. 532/533; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/v. Eicken, BRAGO, § 48 Rz. 6; Gebauer/Schneider/Gebauer, BRAGO, Anwaltskommentar, 2002, § 48 Rz. 16).
Die Kostenentscheidung ergeht aus § 91 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1691611 |
JurBüro 2007, 238 |
JurBüro 2007, 254 |