Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertbemessung im einstweiligen Verfügungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Zielt ein Herausgabeverlangen im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht auf eine vorläufige Regelung, sondern im wirtschaftlichen Endergebnis auf eine endgültige Befriedigung des Antragstellers, ist bei der Streitwertbemessung kein Abschlag vom Wert der herausverlangten Sache zu machen.
Normenkette
ZPO §§ 3-4, 6, 935, 940; BGB §§ 903, 929, 985
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 28.10.2008; Aktenzeichen 2 O 162/08) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Verfügungsklägerin wird der Streitwertbeschluss des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Mainz vom 28.10.2008 dahin geändert, dass ein Betrag von 12.500 EUR festgesetzt wird.
II. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Verfügungsklägerin hat am 17.9.2008 eine einstweilige Verfügung erwirkt, mit der dem Verfügungsbeklagten aufgegeben wurde, einen Pkw BMW 1er, Baujahr 2004, an sie herauszugeben. Nachdem der Verfügungsbeklagte seinen gegen diesen Beschluss eingelegten Widerspruch zurückgenommen hatte, hat der Einzelrichter den Streitwert auf 6.000 EUR festgesetzt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Verfügungsklägerin, die den Streitwert in der Antragsschrift mit 12.500 EUR angegeben hat und diesen nach wie vor als angemessen erachtet. Sie verweist darauf, dass es sich vorliegend um eine Leistungsverfügung handelt und daher der Wert des von ihr im Juli 2007 für 17.500 EUR erworbenen Pkws in Ansatz zu bringen sei.
Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache hierher zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren allenfalls der hälftige Wert in Ansatz zu bringen und daher selbst bei Unterstellung eines Fahrzeugswerts von 12.000 EUR der festgesetzte Betrag angemessen sei.
Die gem. § 68 GKG, § 32 RVG zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Gebührenstreitwert bemisst sich gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO für Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nach dem Interesse des Verfügungsklägers an der Sicherung des Anspruchs. Da in der Regel eine vorläufige Entscheidung erstrebt wird, bleibt es bei den meisten einstweiligen Verfügungen bei einer Bruchteilsbewertung im Rahmen der unteren Hälfte des Hauptsachewertes (Zöller, 27. Aufl., § 3 Stichwort einstweilige Verfügung).
Bei Herausgabeansprüchen kommt der vorläufige Charakter der im Wege einer einstweiligen Verfügung beantragten und getroffenen Maßnahme dadurch besonders zum Ausdruck, dass die Herausgabe nur an einen Gerichtsvollzieher oder Sequester angeordnet wird. Eine solche Maßnahme nimmt den Erfolg einer Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg, so dass es in diesem Fall verfehlt ist, den Streitwert in Höhe der Hauptsache festzusetzen (Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rz. 2731).
Wenn eine Herausgabeverfügung aber praktisch zur Befriedigung des Gläubigers führt, kann es angebracht sein, den Streitwert auf den vollen Wert der Hauptsache zu schätzen. Denn dann kommt das Herausgabeverlangen wirtschaftlich dem Hauptsacheverfahren gleich (a.a.O. Rz. 1637).
Dies ist vorliegend der Fall. Das Interesse am Erlass der begehrten Verfügung deckt sich mit dem Befriedigungsinteresse. Der Antrag der Verfügungsklägerin war auf eine endgültige Regelung gerichtet, indem sie Herausgabe des Fahrzeugs an sich verlangt hat. Wird aber im Wege der einstweiligen Verfügung Herausgabe einer Sache an den Antragsteller selbst und nicht nur an einen Sequester verlangt, so fehlt es an der Vorläufigkeit und ist für den Streitwert der volle Wert der Sache ohne den sonst im Verfügungsverfahren üblichen Abschlag anzusetzen (so auch OLG Köln OLGReport Köln 1999, 336).
Die Verfügungsklägerin verlangt die Herausgabe des Pkws, so dass der Hauptsachewert durch den Wert des Wagens im Zeitpunkt der Instanzeinleitung bestimmt wird (§§ 4, 6 ZPO).
Der von ihr mit 12.500 EUR angegebene Wert erscheint angesichts der Fahrzeugdaten und des von der Verfügungsklägerin noch im Sommer 2007 gezahlten Kaufpreises von 17.500 EUR, auch unter Berücksichtigung des durch die eingereichten Photos dokumentierten derzeitigen Zustandes, nicht überhöht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 2164502 |
JurBüro 2009, 429 |
MDR 2009, 1075 |
AGS 2009, 402 |
RVGreport 2009, 319 |
OLGR-West 2009, 503 |