Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Verhältnis zwischen § 861 BGB und § 1361b BGB - Besitzschutz ohne Hausratsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Zur Geltendmachung von Ansprüchen aus § 861 BGB bedarf es nicht der Anhängigkeit eines Hausratsverteilungsverfahrens im umfassenden Sinne.
Normenkette
BGB §§ 861, 1361a
Verfahrensgang
AG Trier (Beschluss vom 11.01.2007; Aktenzeichen 10 F 455/06) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des AG - FamG - Trier vom 11.1.2007 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Am 1.8.2006 nahm die Antragsgegnerin verschiedene Hausratsgegenstände aus der vormals ehelichen Wohnung an sich, um sie zukünftig in ihrer Wohnung zu verwenden.
Der Antragsteller begehrt vor dem FamG Rechtsschutz nach § 861 BGB.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat dieses der Antragsgegnerin aufgegeben, dem Antragsteller wieder Mitbesitz an den Hausratsgegenständen einzuräumen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin, die geltend macht, der Antragsteller sei mit der Wegnahme einverstanden gewesen. Hierüber habe das FamG Beweis erheben müssen.
II. Die nach §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige befristete Beschwerde der Antragsgegnerin ist in der Sache unbegründet.
Die Entscheidung des FamG ist richtig. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, an der festgehalten wird, dass - um Rechte aus § 861 BGB geltend zu machen - kein Hausratsverteilungsverfahren im umfassenden Sinne anhängig gemacht werden muss, wenn der Anspruch auf Wiedereinräumung des Mitbesitzes auf § 861 BGB gestützt wird. Die Voraussetzungen des § 861 BGB sind vorliegend erfüllt.
1. Nach § 621 Abs. 4 ZPO ist nicht mehr zu prüfen, ob das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Recht oder Unrecht angenommen hat. Jedoch teilt der Senat die Auffassung des FamG, dass - obwohl es sich nicht um ein Hausratsverfahren im engeren Sinne handelt - das FamG zuständig ist. Der Anspruch aus § 861 BGB hängt eng mit der Hausratsteilung zusammen. Gründe der Praktikabilität und Prozesswirtschaftlichkeit sprechen dafür, über diesen Anspruch durch das FamG im Hausratsverfahren zu entscheiden (BGH FamRZ 1982, 1200; OLG Frankfurt FamRZ 2003, 47; Wacke in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1361a Rz. 16 m.w.N.). Deshalb ist statthaftes Rechtsmittel hier auch die befristete Beschwerde nach §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO.
2. Die Frage, ob bei eigenmächtiger Entfernung von Hausratsgegenständen durch einen Ehegatten der andere unter Bezugnahme auf § 861 BGB die Rückschaffung verlangen kann oder ob die Vorschriften über den Hausrat nach § 1361a BGB, §§ 8 ff. HausrVO vorgehen, ist umstritten (vgl. die Darstellung des Streitstands bei Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Aufl., § 1361a BGB Rz. 58 ff.).
In jüngerer Zeit haben die OLG Nürnberg und Karlsruhe die Auffassung vertreten, dass § 1361a BGB die Vorschrift des § 861 BGB überlagert und ein Herausgabeanspruch trotz verbotener Eigenmacht nicht besteht, wenn der Gegenstand nach den Kriterien des § 1361a Abs. 1 und 2 BGB dem Ehegatten, der diesen gegen den Willen des anderen aus der gemeinsamen Wohnung entfernt hat, zuzusprechen ist (OLG Nürnberg FamRZ 2006, 486; OLG Karlsruhe FamRZ 2007, 59; so auch Schwab/Motzer, Hb. des Scheidungsrechts, 5. Aufl.. VIII Rz. 9 m.w.N.). Nach dieser Auffassung ist dann ein Hausratsverteilungsverfahren durchzuführen und der Hausrat nach Billigkeit zu verteilen.
Der Senat hatte sich in der Vergangenheit (Beschl. v. 27.1.2003 - 9 UF 719/02 - unveröffentlicht) der Auffassung angeschlossen, dass der nur Besitzschutz Erstrebende kein Zuweisungsverfahren nach § 1361a BGB anstrengen muss. § 1361a BGB sei nicht lex specialis ggü. § 861 BGB. Dieser werde lediglich durch § 1361a BGB dann modifiziert, wenn der andere Ehegatte geltend machen könne, gerade den eigenmächtig entfernten Gegenstand zur Deckung seines Notbedarfs selbst zu benötigen (so auch: OLG Frankfurt FamRZ 2003, 47; OLG Köln FamRZ 2001, 174; OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 760 für die ehel. Wohnung; ähnlich: Brudermüller a.a.O. Rz. 63f). Zur Feststellung dessen bedürfe es jedoch keines umfassenden Hausratsverfahrens.
Hieran wird festgehalten.
Die Befürworter des Vorrangs des § 1361b BGB verweisen darauf, dass so widersprüchliche Ergebnisse und ein Hin und Her im possessorischen und auf § 1361a BGB gestützten Verfahren vermieden werde. Es erscheine nicht sinnvoll, dass zunächst nach § 861 BGB die Zurückschaffung der Hausratsgegenstände angeordnet werde, um alsdann in einer weiteren Entscheidung die Hausratsgegenstände gerade dem zuzuordnen, der die verbotene Eigenmacht begangen habe. Für eine vorrangige Anwendung von § 1361a BGB unter Ausschluss bzw. Überlagerung von § 861 BGB spreche vor allem, dass dieses Verfahren speziell auf die Situation im Zusammenhang mit der Trennung ausgerichtet sei und somit erlaube, dort möglichen Billigkeitserwägungen vorran...