Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten des Rechtsmittelbeklagten bei alsbaldiger Berufungsrücknahme

 

Leitsatz (amtlich)

War dem Berufungskläger in erster Instanz ratenfreie PKH bewilligt worden und verbindet er die zur Fristwahrung eingelegte Berufung mit einem erneuten PKH - Antrag, kann nicht davon ausgegangen werden, dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten sei auch für die zweite Instanz konkludent ein Auftrag erteilt - Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 6.8.2007 - 14 W 578/07.

 

Normenkette

RVG §§ 15-16, 19; RVG-VV Nr. 3201; ZPO §§ 511, 516; BGB § 675

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Beschluss vom 13.07.2009; Aktenzeichen 15 O 243/07)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den eine Kostenfestsetzung ablehnenden Beschluss des LG Koblenz vom 13.7.2009 wird auf Kosten der Rechtsmittelführer zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert beträgt 4.019,70 EUR.

 

Gründe

Das Rechtsmittel betrifft die vom Rechtspfleger abgelehnte Festsetzung einer 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Nachdem das LG die Klage abgewiesen hatte, legte die Klägerin im Oktober 2008 Berufung ein verbunden mit dem Hinweis, das Rechtsmittel erfolge "zunächst lediglich fristwahrend". Weiter enthält die Berufungsschrift die Bitte an die beklagten Rechtsanwälte, "einstweilen von einer zweitinstanzlichen Bestellung aus Kostengründen abzusehen". Letztlich formuliert die Berufungsschrift einen Prozesskostenhilfeantrag, nachdem der Klägerin in erster Instanz PKH ohne Ratenzahlungsbestimmung bewilligt worden war. Nach Ablehnung des PKH - Antrags für die zweite Instanz wurde die Berufung zurückgenommen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens überbürdete das OLG der Klägerin.

Die bereits in erster Instanz tätigen gewesenen Bevollmächtigten der beklagten Rechtsanwälte beantragten für die Vertretung im Berufungsverfahren die Festsetzung einer 1,1 Gebühr nach 3201 VV - RVG. Dazu haben sie vorgetragen, nach Zustellung der Rechtsmittelschrift hätten sie geprüft, ob etwas zu veranlassen sei. Ein ausdrückliches Berufungsmandat sei zwar weder von den beklagten Rechtsanwälten noch von deren Haftpflichtversicherung erteilt worden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats streite aber eine Vermutung dafür, dass der erstinstanzliche Bevollmächtigte auch für die zweite Instanz beauftragt sei (OLG Koblenz vom 6.8.2007 - 14 W 578/07 - in OLGR 2008, 284). Insoweit müsse beachtet werden, dass die Haftpflichtversicherung der beklagten Rechtsanwälte unter dem 20.12.2007 folgendes mitgeteilt habe:

"Wir möchten Sie bitten, die Interessen unseres Versicherungsnehmers im Verfahren wahrzunehmen".

Diesen Auftrag hätten die beklagten Rechtsanwälte telefonisch bestätigt. Daraus ergebe sich auch das Mandat für die zweite Instanz.

Der Rechtspfleger hat gemeint, ob die Bevollmächtigten der Beklagten einen Prozessauftrag für das Berufungsverfahren gehabt hätten, könne dahinstehen. Jedenfalls seien die auf Beklagtenseite im Berufungsverfahren entstandenen Kosten nicht notwendig und damit auch nicht erstattungsfähig.

Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde im Ergebnis ohne Erfolg. Nach Auffassung des Senats ist die geltend gemachte Gebühr allerdings überhaupt nicht entstanden, so dass sich die Frage, ob es sich um notwendigen Prozessaufwand handelte, nicht stellt.

§ 15 Abs. 1 RVG bestimmt, dass die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit entgelten. Das erstinstanzliche Prozessverfahren und das Rechtsmittelverfahren bilden dabei jeweils eine eigene Angelegenheit. Das ergibt sich aus § 16 Nr. 15 RVG einerseits und § 16 Nr. 13 RVG andererseits. Zum jeweiligen Rechtszug gehören dabei auch Neben- und Abwicklungstätigkeiten (§ 19 Abs. 1 Satz 1 RVG). In § 19 Abs. 1 Satz 2 RVG hat der Gesetzgeber beispielhaft Tätigkeiten aufgeführt, die er als zum Rechtszug gehörig ansieht. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 RVG fällt hierunter auch die Empfangnahme einer Rechtsmittelschrift und ihre Mitteilung an den Auftraggeber. So lag es hier.

Die Auffassung der Beschwerde, trotz des Hinweises auf den lediglich fristwahrenden Charakter der Berufung und trotz der Bitte, sich in zweiter Instanz noch nicht zu bestellen, habe Anlass für die Prüfung bestanden, ob im Interesse der Mandanten etwas zu unternehmen sei, teilt der Senat in dieser Allgemeinheit nicht. Ein entsprechender Prüfauftrag lässt sich insbesondere nicht auf den das Verfahren erster Instanz betreffenden Auftrag vom 20.12.2007 stützen. Mit Blickrichtung auf die eigenen Mandanten hatten die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der beklagten Rechtsanwälte zu beachten, dass die Klägerin ihre Berufung schon bei der Einlegung mit einem Prozesskostenhilfeantrag verbunden hatte, nachdem ihr in erster Instanz PKH ohne jedwede Zahlungsbestimmung bewilligt worden war. Sind die finanziellen Möglichkeiten des Prozessgegners erkennbar beschränkt, wird der Auftrageber des Rechtsanwalts tunlichst v...

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