rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchführung einer überflüssigen Beweisaufnahme/unrichtige Sachbehandlung?
Leitsatz (amtlich)
Nicht jede richterliche Entscheidung, die sich später als unrichtig oder überflüssig erweist, ist eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 8 GKG. Denn der Richter muß ständig seine frühere Ansicht prüfen und gegebenenfalls korrigieren.
Normenkette
GKG § 8
Verfahrensgang
LG Trier (Aktenzeichen 11 O 225/92) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 16. Januar 1996 wird zurückgewiesen.
2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Kläger haben von den Beklagten Pflichtteilsergänzung verlangt und dazu vorgetragen, der Erblasser habe ein bebautes Grundstück unter Wert an die Beklagten verschleudert, worin eine gemischte Schenkung zu sehen sei. Das Landgericht hat zum Grundstückswert Sachverständigenbeweis erhoben und die Klage später mit der Begründung abgewiesen, es fehle an einer konkreten Einigung über die Unentgeltlichkeit zwischen dem Erblasser und den Beklagten.
Wegen dieser Begründung des angefochtenen Urteils halten die Kläger die Beweiserhebung für überflüssig und meinen, die hierdurch verursachten Kosten dürften wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht erhoben werden (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Dem ist das Landgericht im nunmehr angefochtenen Beschluß zu Recht nicht gefolgt. Der erkennende Senat vertritt seit jeher die Auffassung (vgl. Beschluß vom 13. Januar 1975 – 14 W 11/75 – in JurBüro 1975, 645), daß nicht jede gerichtliche Entscheidung, die sich später als unrichtig oder überflüssig erweist, zugleich als unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 8 GKG angesehen werden kann. Bei der Auslegung von Normen, Verträgen und sonstigen Rechtsgeschäften sowie bei der Wertung von Lebenssachverhalten gibt es häufig verschiedene Auslegungsmöglichkeiten und Standpunkte, die sich jedoch alle noch im Rahmen des Vertretbaren bewegen. Vor diesem Hintergrund liegt eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 8 GKG nur vor, wenn ein Richter Maßnahmen oder Entscheidungen trifft, die den breiten richterlichen Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum verlassen (vgl. Senatsbeschluß vom 7. August 1979 – 14 W 344/79 – in Rpfleger 1980, 32 und Bischof in ZRP 1988, 458, 459 m.w.N.).
Davon kann hier keine Rede sein. Die gemischte Schenkung setzt neben der objektiven Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung voraus, daß die Parteien subjektiv übereinstimmend von der (teilweisen) Unentgeltlichkeit der Zuwendung ausgehen. Die Feststellung der subjektiven Seite ist häufig schwierig und läßt sich nicht immer für alle Beteiligten überzeugend begründen. Sicher verneinen läßt sich eine gemischte Schenkung jedoch dann, wenn es bereits an der objektiven Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung fehlt. Vor diesem Hintergrund war es vertretbar, wenn nicht sogar geboten, daß das Landgericht sich zunächst um Klärung der Frage bemühte, ob überhaupt die objektiven Voraussetzungen einer gemischten Schenkung vorliegen. Denn ein besonders krasses Mißverhältnis zwischen Wert der Leistung und der vereinbarten Gegenleistung hätte unter Umständen auch den zwingenden Schluß auf das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen nahegelegt. Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne von § 8 GKG kann daher nicht daraus abgeleitet werden, daß das Landgericht in seiner abschließenden Entscheidung maßgeblich nur noch auf die subjektive Seite abgestellt hat, weil es in den vom Sachverständigen festgestellten objektiven Gegebenheiten keine tragfähige Entscheidungsgrundlage gesehen hat.
Die Beschwerde will das nicht gelten lassen und meint, das Landgericht habe zu seinen das Verfahren abschließenden Erkenntnissen schon vor der Beweisanordnung kommen müssen und diese daher nicht treffen dürfen. Dem kann nicht gefolgt werden. Es ist eine nicht selten zu beobachtende, wegen des Gebots der richtigen Sachentscheidung sogar geforderte Eigentümlichkeit richterlichen Handels, daß man die Sach- und Rechtslage zu einem späteren Zeitpunkt im Prozeß anders sieht als zu Beginn der Instanz. Solche Denk- und Entscheidungskorrekturen sind auch notwendig. Denn eine andere Sicht der Dinge liefe auf das Postulat hinaus, ein Richter müsse an einer früheren, wenn nicht falschen, so doch zweifelhaften Entscheidung festhalten, nur um sich selbst nicht zu widersprechen. Das wäre jedoch mit der richterlichen Bindung an Recht und Gesetz (Art. 97 Abs. 1 des GG) nicht zu vereinbaren und würde den Richter zudem bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen dem Vorwurf der Rechtsbeugung aussetzen.
Durch eine frühere abweichende Entscheidung ist die Grenze zur unrichtigen Sachbehandlung im Sinne von § 8 GKG daher nur dann überschritten, wenn die Beweisanordnung sich nicht mehr im Rahmen des richterlichen Entscheidungsspielraums bewegt, mithin ein Verfahrensverstoß offen zu Tage liegt oder ein sonstiges offensichtliches Versehen gegeben ist...