Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorweggenommene Beweiswürdigung im PKH-Prüfungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Trotz des Erfordernisses, Beweis zu erheben, liegen die sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vor, wenn ein dem Antragsteller günstiges Beweisergebnis nicht hinreichend wahrscheinlich ist.
Normenkette
ZPO §§ 114, 127, 445
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 347/01) |
Tenor
Wird die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Koblenz vom 20.12.2001 zurückgewiesen.
Gründe
Die gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff. ZPO n.F. (vgl. § 26 Nr. 10 EGZPO und die Ausführung der Verfügung Bl. 22 GA) zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet, denn die Rechtsverteidigung der Beklagten hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).
1. Die Beklagte verteidigt sich gegen ihre Inanspruchnahme im Gesamtschuldnerausgleich im Wesentlichen damit, der Kläger habe die Möbel und den Hausrat übernommen; dafür habe er nach der Scheidung auf einen Schuldenausgleich verzichtet (Bl. 18, 29, 30, 44 GA). Das wird unter Beweis gestellt durch Parteivernehmung des Klägers.
Dieser bestreitet einen derartigen Verzicht und verweist – wie von der Beklagten im Termin vom 19.2.2002 zugestanden (Bl. 44 GA) – darauf, er habe nur eine Couch, ein Bett, den Fernseher, die Stereoanlage und den Videorekorder erhalten.
2. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung im Allgemeinen hinreichend ist, sobald eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt (BGH v. 16.9.1987 – IVa ZR 76/86, NJW 1988, 266 = MDR 1988, 209).
Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht in tatsächlicher Hinsicht gilt das Verbot der Beweisantizipation jedoch nur begrenzt (vgl. BVerfG NJW-RR 1997, 2745).
Fällt die Beweisprognose dahin aus, dass die Richtigkeit einer unter Beweis gestellten Tatsache für sehr unwahrscheinlich angesehen werden muss, darf Prozesskostenhilfe auch dann verweigert werden, wenn das Gericht aus beweisrechtlichen Gründen einem von der Partei gestellten Beweisantrag im Erkenntnisverfahren stattgeben müsste (BGH v. 14.12.1993 – VI ZR 235/92, NJW 1994, 1160 = MDR 1994, 406). Die Entscheidung über die Erfolgsprognose im Rahmen des PKH-Prüfungsverfahrens ist nämlich unabhängig von dem strengen Maßstab der Beweiserhebungspflicht zu treffen.
Während das Gericht einem Beweisantritt auch dann folgen muss, wenn auch nur die nicht ausgeschlossene Möglichkeit besteht, dass eine Tatsache erweislich ist, bindet das Gesetz die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an die hinreichende Erfolgsaussicht, ist also insofern enger als das Gebot der Beweiserhebung (BVerfG v. 23.1.1986 – 2 BvR 25/86, NVwZ 1987, 786).
3. Es ist außerordentlich unwahrscheinlich, dass der Kläger – als Partei vernommen – bestätigen wird, er habe auf den Gesamtschuldnerausgleich verzichtet.
Einen solchen Verzicht hat er von Anfang an bestritten. Aus der von der Beklagten vorgelegten anwaltlichen Korrespondenz (Bl. 31–38 GA) ergibt sich Im Übrigen gerade nicht, dass der Kläger auf einen Schuldenausgleich verzichtet hätte. Es ist im Zusammenhang mit der Freistellung des Klägers von Unterhaltsansprüchen nur angeboten worden, hierauf zu verzichten. Eine solche Freistellung hat aber nicht stattgefunden.
Im Übrigen war das Vorbringen der Beklagten zum Motiv des Klägers, die Beklagte zum Schuldenausgleich nicht heranzuziehen, widersprüchlich.
Mit Schriftsätzen vom 12.12.2001 sowie vom 6.2.2002 ließ sie noch vortragen, der Kläger habe „wegen der ehelichen Schulden im Einvernehmen die Möbel und den gesamten Hausrat als Ausgleich behalten” (Bl. 29 GA unten), um dann einzuräumen (Bl. 44 GA), der Kläger habe nur die einzelnen Gegenstände erhalten, wie sie in seinem Schriftsatz vom 15.2.2002 (Bl. 42/48 GA) aufgeführt seien.
Unter diesen Umständen bestehen keinerlei konkreten Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der vom Kläger gemachten Sachdarstellung, so dass keine Aussicht besteht, dieser werde entgegen seinem Vorbringen anders aussagen.
Somit besteht keine hinreichende Erfolgsaussicht (vgl. auch Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rz. 26a) und Prozesskostenhilfe ist zu versagen.
Stein (ROLG)
Fundstellen
Haufe-Index 1107722 |
JurBüro 2002, 376 |