Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweisantizipation für PKH im Hauptsacheverfahren nach erfolglosem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
Leitsatz (amtlich)
1. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung ist im PKH - Verfahren insbesondere dann nur in eng begrenztem Rahmen statthaft, wenn das Gericht über Fachfragen zu entscheiden hat, die gewöhnlich nur kraft besonderer Sachkunde beantwortet werden können (verneint für die Frage der Geschäftsfähigkeit bei Abschluss eines notariellen Kaufvertrages).
2. Angesichts der eingeschränkten medizinischen Erkenntnismöglichkeiten eines Notars ist dessen Einschätzung bei der Beurkundung eines formbedürftigen Vertrages, die Beteiligten seien geschäftsfähig, lediglich ein widerlegbares Indiz.
3. Dass ein PKH - Antragsteller mit dem Einwand fehlender Geschäftsfähigkeit in einem vorausgegangenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gescheitert ist, erlaubt wegen des dort anderen Beweismaßes nicht den Schluss, im Hauptsacheverfahren sei die Befragung eines medizinischen Sachverständigen entbehrlich.
Normenkette
ZPO § 114 S. 1, §§ 286, 294, § 402 ff., §§ 920, 935, 942; BGB §§ 104, 114, 311b, 873, 925; BeurkG §§ 11, 17
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 13.03.2015; Aktenzeichen 3 O 724/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Koblenz vom 13.3.2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen.
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin ist nach § 127 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg.
1. Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine hinreichend bedürftige Partei auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Das LG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrages zurückgewiesen, da mit einem Beweis der von der Antragstellerin behaupteten Geschäftsunfähigkeit zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses angesichts der Erkenntnisse aus dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren nicht zu rechnen sei. Der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens laufe auf die Erhebung eines Ausforschungsbeweises hinaus. Eine vernünftig denkende Partei würde aufgrund der sehr niedrigen Wahrscheinlichkeit eines Beweisergebnisses zu Gunsten der Antragstellerin von der Prozessführung absehen. Mit dieser Begründung kann dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht der Erfolg versagt werden.
a) Im Ansatz zutreffend verweist das LG auf die grundsätzlich bestehende Möglichkeit einer sog. Beweisantizipation im Prozesskostenhilfeverfahren. Diese kann dazu führen, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht für das Klagebegehren zu verneinen ist. Erforderlich ist aber, dass die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Hilfsbedürftigen als ausgeschlossen erscheinen lässt, der Antragsteller sich also ersichtlich in nicht überwindbaren Beweisschwierigkeiten befindet (vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 28.9.2011 - 1 W 1728/11, BeckRS 2011, 23755 Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 114 ZPO, Rdnr. 26 m.w.N.). Mitunter wird die Verweigerung der Prozesskostenhilfe bereits dann eröffnet, wenn die Beweisprognose darauf hinausläuft, dass die Richtigkeit einer unter Beweis gestellten Tatsache als sehr unwahrscheinlich angesehen werden muss, auch wenn das Gericht im Erkenntnisverfahren einem Beweisantrag stattgeben müsste (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2000, 1669, 1670).
Hiervon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Die Klägerin hat die Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht pauschal behauptet, sondern eine Demenz als Ursache für das Fehlen der Fähigkeit, eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu treffen, angeführt. Die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Beweisführung, die für die Bewertung der Erfolgsaussicht nach einer Beweisantizipation - ungeachtet der angeführten Unterschiede in der Rechtsprechung zum Maß der Wahrscheinlichkeit - entscheidend ist, kann ohne medizinische Fachkunde nicht beantwortet werden. Insoweit werden die Unterschiede zwischen dem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren (3 O 582/14 LG Koblenz; 5 U 1389/14 - OLG Koblenz) und dem beabsichtigten Klageverfahren bedeutsam. Im Rechtfertigungsverfahren war ohne die Möglichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens auf der Grundlage der vorgetragenen und durch die Vernehmung präsenter Zeugen erlangten Erkenntnisse unter Berücksichtigung der Beweislastverteilung zu Lasten der Antragstellerin zu entscheiden. Die vorgenommene Würdigung des Vorbringens und der erhobenen Beweise ließ in diesem Verfahren nicht den Sc...