Leitsatz (amtlich)
1. Ist den Kindeseltern nach einem teilweisen Entzug der elterlichen Sorge zumindest das Recht auf Erziehung ihres Kindes verblieben, sind sie hinsichtlich der Auswahl des Ergänzungspflegers beschwerdeberechtigt.
2. Zur Auswahl des Ergänzungspflegers im Verfahren der einstweiligen Anordnung betreffend den (teilweisen) Entzug der elterlichen Sorge.
Normenkette
BGB § 1626 Abs. 1, § 1631 Abs. 1, § 1776 Abs. 1, § 1779 Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Saarburg (Beschluss vom 05.12.2019; Aktenzeichen 3b F 253/19) |
Tenor
Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Saarburg vom 5. Dezember 2019 gerichteten Beschwerden der Kindeseltern werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kindeseltern je zur Hälfte zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500,- EUR festgesetzt.
Die auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gerichteten Anträge der Kindeseltern werden zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerden der Kindeseltern sind zulässig aber unbegründet.
Sie sind zulässig.
Insbesondere sind die hier zur Entscheidung stehenden Rechtsmittel statthaft (§ 58 Abs. 1 FamFG) sowie form- (§ 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1, 3 und 4) und fristgerecht (§ 63 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 1 FamFG) eingelegt worden. Des Weiteren sind die Kindeseltern ungeachtet des zwischenzeitlich erfolgten vorläufigen Entzugs wesentlicher Teilbereiche der elterlichen Sorge für [...] beschwerdebefugt.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich die Kindseltern mit ihren Beschwerden lediglich gegen die erstinstanzliche Auswahl des Ergänzungspflegers (§§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1779 Abs. 1 BGB) wenden. Den (teilweisen) Sorgerechtsentzug (§§ 1666 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 6 Alt. 1, 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB) und die Anordnung der Ergänzungspflegschaft (§ 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB) beanstanden sie hingegen nicht.
Für derartige Fallgestaltungen wird vertreten, die (teilweise) nicht mehr sorgeberechtigten Kindeseltern seien hinsichtlich der Auswahl des Ergänzungspflegers nicht beschwerdeberechtigt (vgl. Meyer-Holz in: Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 59, Rdnr. 79, m.w.N.). Denn durch die Entscheidung über die Auswahl des Ergänzungspflegers seien die Kindeseltern nicht (mehr) in einem Recht beeinträchtigt, da ihnen die elterliche Sorge hinsichtlich des betroffenen Teilbereichs nicht mehr zustehe (vgl. OLG München, FamRZ 2016, 1288, 1289, m.w.N.; OLG Koblenz, FamRZ 2007, 919, 920).
Allerdings gilt es in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass [...] Eltern nach wie vor Sorgerechtsinhaber sind. Auch wenn ihnen bereits erhebliche Teile des Sorgerechts entzogen worden sind, werden sie durch die Entscheidung über die Auswahl des Ergänzungspflegers unmittelbar in dem ihnen verbliebenen Sorgerecht aus § 1626 Abs. 1 BGB und damit in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG betroffen (vgl. insoweit auch OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14. Dezember 2015 - 5 UF 235/15 -, juris, Rdnr. 6, m.w.N.; OLG Saarbrücken, NJOZ 2015, 7, 8, m.w.N.; MünchKomm-Fischer, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 59, Rdnr. 46 und Rdnr. 49; Heilmann-Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 1. Aufl. 2015, § 1779 BGB, Rdnr. 19, m.w.N.).
So ist ihnen nämlich unter anderem das Recht zur Erziehung ihres Kindes verblieben. Dieses in § 1631 Abs. 1 BGB geregelte Recht auf Erziehung ist ein wesentlicher Bestandteil der Personensorge (vgl. BGH, NJW-RR 2014, 1030, 1030, Rdnr. 12, m.w.N.). Auch wenn das - den Kindeseltern vorliegend entzogene - Recht zur Bestimmung des Kindesaufenthalts eng mit der Wahrnehmung der Erziehung des Kindes verknüpft ist, führt die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht dazu, dass damit zugleich das Recht auf Erziehung entzogen wäre (vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 13). Dies ergibt sich bereits daraus, dass beide Teilbereiche in § 1631 Abs. 1 BGB selbstständig nebeneinander stehen (vgl. BGH, a.a.O.).
Vorliegend ist die Entscheidung über den Aufenthalt [...] dem Ergänzungspfleger übertragen worden. Diese Entscheidung darüber, wo das Kind verbleibt, betrifft die Eltern unmittelbar in der Ausübung des ihnen verbliebenen Sorgerechts und damit in ihrem Elternrecht (vgl. BGH, a.a.O.). Das zeigt sich nicht zuletzt darin, dass es für die Erziehung des Kindes und die Möglichkeit der Eltern, hierauf Einfluss nehmen zu können, von erheblicher Bedeutung ist, ob es bei Verwandten, bei Pflegeltern oder etwa in einem Heim aufwächst (vgl. BGH, a.a.O.).
Damit betrifft auch die verfahrensgegenständliche Auswahl des Ergänzungspflegers die Kindeseltern unmittelbar in ihrem Elternrecht. Denn es liegt auf der Hand, dass die Person des Ergänzungspflegers - und damit auch die Entscheidung über seine Auswahl - maßgeblichen Einfluss darauf hat, wie die Entscheidung über den Aufenthalt des Kindes ausfällt. Damit hängt sie untrennbar mit der Entscheidung über den Aufenthalt des Kindes zusammen. Dem entsprechend ist die Auswahl des Ergänzungspflegers unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit sogar als integraler Best...