Leitsatz (amtlich)
1. Der sog. Corona-Kinderbonus ist hälftig auf den Kindesunterhaltsbarbedarf eines minderjährigen, bei einem Elternteil lebenden Kindes anzurechnen (Anschluss an OLG Koblenz [13. ZS] MDR 2021, 568; Aufgabe von Senatsbeschluss vom 09.03.2021, Az. 7 UF 613/20, MDR 2021, 690).
2. Zur Berücksichtigung und Ermittlung des Unterhaltsanspruchs des nichtehelichen Vaters bzw. des Anspruchs auf Familienunterhalt im Rahmen der Leistungsfähigkeit eines aus mehreren Beziehungen stammenden Kindern verpflichteten Unterhaltsschuldners (sog. Hausmannfall).
3. Auch im Rahmen des Kindesunterhalts aus die Hausfinanzierung bis zur Höhe des Wohnwerst in vollem Umfang auf diesen anzurechnen. Eine überschießende Tilgung ist hingegen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, sofern der Mindestkindesunterhalt ansonsten nicht sichergestellt wäre.
4. Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinausgehendes Umgangsrecht wahr, können erhöhten Aufwendungen, die als reiner Mehraufwand dem Kind nicht als bedarfsdeckend entgegengehalten werden können, zu einer Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle führen. Der Unterhaltsbedarf des Kindes kann weitergehend gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt. Hingegen kommt ein Abzug dieser Kosten vom Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils grundsätzlich nicht in Betracht, wenn diesem auch nach dem Abzug dieser Kosten noch ein ausreichendes Einkommen verbleibt (vgl. BGH FamRZ 2014, 917). Ist der barunterhaltspflichtige Elternteil hingegen allenfalls zur Zahlung des Mindestkindesunterhalts in der Lage, kann es indes sachgerecht sein, erheblich erweiterte Umgangskosten anteilig vom Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils abzusetzen.
Normenkette
BGB §§ 1360, 1360a, 1603 Abs. 2, § 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 1615l Abs. 2 S. 2, Abs. 3-4; BKKG § 6 Abs. 3 idF. des 2. Corona-Steuerhilfegesetzes vom 29.06.2020 bzw. des 3. Corona-Steuerhilfegesetzes vom 10.03.2021
Verfahrensgang
AG Altenkirchen (Aktenzeichen 4 F 207/19) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Altenkirchen vom 10.11.2020 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller zu 1. rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum September 2019 bis Mai 2021 in Höhe von 3.170,47 EUR zu zahlen sowie ab Juni 2021 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 193,02 EUR.
Der Antragsgegner wird des Weiteren verpflichtet, an die Antragstellerin zu 2. rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum September 2019 bis Mai 2021 in Höhe von 3.093,47 EUR zu zahlen sowie ab Juni 2021 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 193,02 EUR.
Die weitergehenden Anträge werden abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller zusammen zu 1/3 und der Antragsgegner zu 2/3.
Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.448,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Mit der angefochtenen Entscheidung vom 10.11.2020, auf welche zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstands verwiesen wird, hat das Familiengericht den Antrag der Antragsteller gegen ihren Vater, den Antragsgegner, auf Zahlung von Mindestkindesunterhalt ab September 2019 mangels Leistungsfähigkeit abgewiesen.
Der Antragsgegner und die Mutter der Antragsteller sind seit geraumer Zeit geschieden. Die Antragsteller leben bei ihrer Mutter und haben alle zwei Wochen von Donnerstag bis Dienstag Umgang mit ihrem Vater. Dieser zahlte bis einschließlich August 2019 einen über dem Mindestkindesunterhalt liegenden Betrag an die Mutter der Antragsteller. Anschließend stellte er seine Zahlungen komplett ein, da er am 24.04.2019 Vater des Kindes I. geworden war, und seit 01.08.2019 seine Erwerbstätigkeit auf 50% reduziert hat. Der Antragsgegner lebt mit der Mutter I.s in einem in seinem Eigentum stehenden Haus, für dessen Finanzierung er monatlich 750 EUR an Zins und Tilgung aufwendet. Das Anwesen hatte er zuvor zusammen mit der Mutter der Antragsteller bewohnt. Im Zuge der Trennung wurde letztere aus der Finanzierung entlassen. Die Mutter I.s, welche der Antragsgegner zwischenzeitlich geehelicht hat, hat ihr berufliches Engagement ebenfalls um rund die Hälfte reduziert. Sie erhält für I. vom dritten bis zum 21. Lebensmonat Elterngeld Plus. Der Antragsgegner bezog solches für den 13. bis 16. Lebensmonat.
Das Familiengericht hat das Einkommen des Antragsgegners aus seiner reduzierten Erwerbstätigkeit sowie sein um einen Sockelbetrag von 300 EUR verringertes Elterngeld zugrunde gelegt und ist nach Abzug der Berufsaufwandspauschale, einer zusätzlichen Altersvorsorge von 100 EU...