Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung der PKH-Partei für vergleichsweise übernommene Gerichtskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Der Gegner der beklagten PKH-Partei kann für Gerichtskosten als Zweitschuldner in Anspruch genommen werden, wenn der Prozess durch einen Vergleich beendet worden ist, in dem die Kosten gegeneinander aufgehoben sind.
2. Auf den Übernahmeschuldner ist § 58 Abs. 2 S. 2 GKG mangels Regelungslücke nichterrechts anwendbar. Soweit der Gegner der PKH-Partei als Zweitschuldner für Gerichtskosten in Anspruch genommen wird, kann er diese Kosten trotz der bewilligten Prozesskostenhilfe gegen die PKH-Partei festsetzen lassen.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 13.01.2004; Aktenzeichen 10 O 273/03) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 13.1.2004 wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der Kläger hat den Beklagten auf Zahlung von 11.861,97 Euro nebst Zinsen in Anspruch genommen und Gerichtskostenvorschüsse von insgesamt 657 Euro gezahlt. Dem Beklagten ist Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt worden. Im ersten gerichtlichen Termin schlossen die Parteien einen Vergleich. Der Beklagte verpflichtete sich, 2.000 Euro an den Kläger zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits wurden im Vergleich gegeneinander aufgehoben. Die Gerichtskosten betrugen 362,90 Euro. Von den gezahlten 657 Euro hat die Landesjustizkasse dem Kläger lediglich 294,10 Euro erstattet. Wegen der zweiten Hälfte der Gerichtskosten (181,45 Euro) hat sie ihn als Zweitschuldner in Anspruch genommen.
Die dagegen erhobene Erinnerung (§ 5 Abs. 1 S. 1 GKG) ist erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, die in NJW 1999,3186 veröffentlichte Entscheidung des BVerfG zu § 58 Abs. 2 S. 2 GKG sei nicht einschlägig. Der Beklagte sei nicht Entscheidungsschuldner, sondern Übernahmeschuldner.
Mit seiner Beschwerde vertritt der Kläger die Ansicht, die auf den Beklagten entfallende Hälfte der Gerichtskosten müsse „aus dem Topf der Prozesskostenhilfe” genommen werden. Eine Zweitschuldnerhaftung des Klägers komme nicht in Betracht. Das wirtschaftliche Ergebnis der Rechtsauffassung des LG verfälsche den Parteiwillen bei Abschluss des Vergleichs, der daher „nicht durchführbar” sei.
Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Das LG hat der Erinnerung zu Recht nicht abgeholfen.
Das BVerfG (BVerfG v. 23.6.1999 – 1 BvR 984/89, MDR 1999, 1089 [1090], m. Anm. Schneider) hat entschieden, dass entgegen der bis dahin überwiegenden Ansicht der Kläger von einem im Rechtsstreit unterlegenen Beklagten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, bereits gezahlte Gerichtskosten nicht erstattet erhält.
Das führt im vorliegenden Fall jedoch nur scheinbar dazu, dass der Kläger wegen seiner Inanspruchnahme als Zweitschuldner endgültig mit den gesamten Gerichtskosten belastet ist, obwohl er diese nach der Kostenregelung des Vergleichs nur hälftig zu tragen hat.
Die Entscheidung des BVerfG ist nämlich im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Der Beklagte ist durch die im Vergleich vereinbarte hälftige Zahlungspflicht hinsichtlich der Gerichtskosten nicht zum Entscheidungsschuldner i.S.d. Rspr. des BVerfG geworden. Dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des BVerfG in der zitierten Entscheidung ist zu entnehmen, dass es nach wie vor an seiner Auffassung festhält, den Schutz des § 58 Abs. 2 S. 2 GKG nicht auf die Fälle des gerichtlichen Vergleichs zu erstrecken. Das ergibt sich aus dem bestätigenden Hinweis auf die in BVerfGE 51, 295 [302] (BVerfG v. 13.6.1979 – 1 BvL 97/78, BVerfGE 51, 295 [302]) abgedruckte ältere Entscheidung.
Soweit Schneider in seiner Anmerkung zu dem Beschluss des BVerfG (BVerfG v. 23.6.1999 – 1 BvR 984/89, MDR 1999, 1089 [1090]) die Auffassung vertritt, die für den Entscheidungsschuldner (§ 54 Nr. 1 GKG) geltende Vorschrift des § 58 Abs. 2 S. 2 GKG sei auf den Übernahmeschuldner (§ 54 Nr. 2 GKG) analog anzuwenden, geht das am klaren Wortlaut des Gesetzes und der Tatsache vorbei, dass die Ungleichbehandlung zwischen Entscheidungsschuldner einerseits und Übernahmeschuldner andererseits sachliche Gründe hat. Das ist seit langem gefestigte Rspr. des Senats (OLG Koblenz JurBüro 1985, 1367, m. Anm. Mümmler und zuletzt – bereits nach der zitierten Entscheidung des BVerfG AGS 2001, 279 f.).
Diese Rechtsansicht wird bestätigt durch den späteren Beschluss des BVerfG zum Umfang der Erstattungspflicht des Entscheidungsschuldners (BVerfG v. 28.6.2000 – 1 BvR 741/00, MDR 2000, 1157 = NJW 2000, 3271).
Diese Entscheidung des BVerfG hat allerdings in Rspr. (OLG Dresden v. 5.6.2000 – 5 W 161/00, Rpfleger 2002, 213 [214] = NJW-RR 2002, 144) und Lit. (Gsell, ZZP 114, 473 ff., m. zahlr. w.N. und NJW 2002, 3225) Kritik erfahren.
Ungeachtet der Frage, ob die Gerichte wegen § 31 BverfGG an die zitierten Entscheidungen gebunden sind, hat der Senat die insb. von Gsell erhobenen Einwände geprüft und hält si...