Leitsatz (amtlich)
1. Ein bestellter (Berufs-)Betreuer kann gegenüber dem Betreuten zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sein, wenn er für diesen eine bestehende private Kranken- und Pflegeversicherung kündigt und kurze Zeit später der - die Versicherung aufgrund der Vertragskündigung nicht mehr zur Leistung verpflichtende - Versicherungsfall eintritt.
2. Allein der Umstand, dass der Betreute nicht über die finanziellen Mittel zur laufenden Beitragszahlung verfügt, rechtfertigt eine solche Kündigung nicht, wenn der Eintritt des Versicherungsfalles (und einer damit verbundenen Beitragsbefreiung) absehbar war.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 05.12.2017; Aktenzeichen 3 O 376/17) |
Tenor
Der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 5.12.2017 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die Antragsgegnerin war in der Zeit vom 13.6.2016 bis zum 16.1.2017 zur Betreuerin der Antragstellerin bestellt. In diesem Zeitraum kündigte sie am 7.7.2016 eine für die Antragstellerin bei der S. Versicherung AG bestehende private Kranken- und Pflegeversicherung mit Wirkung zum 1.8.2016. Nach Angaben der Antragstellerin sei bereits zum 25.8.2016 der - zu diesem Zeitpunkt nicht mehr versicherte - Versicherungsfall eingetreten, aufgrund dessen sie bei einem Fortbestand der Versicherung Leistungen von mehr als 18.000 EUR aus diesen Versicherungen hätte erhalten können. Die Antragstellerin lastet der Antragsgegnerin eine pflichtwidrige Kündigung der privaten Kranken- und Pflegeversicherung an und beabsichtigt, im Wege einer Schadensersatzklage die ihr entgangenen Leistungen gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machen. Für diese beabsichtigte Rechtsverfolgung hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
Die Antragsgegnerin ist diesem Antrag entgegengetreten und hat ihre Vorgehensweise verteidigt. Die Antragstellerin sei nicht in der Lage gewesen, ihren monatlichen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, so dass es geboten gewesen sei, ihre monatlichen Belastungen zu reduzieren. Die Antragstellerin sei über die gesetzliche Krankenversicherung hinreichend abgesichert gewesen. Zudem sei der Eintritt des Versicherungsfalls nicht absehbar gewesen. Sie hat ferner darauf hingewiesen, dass ihr ohnehin durch die nunmehrigen Betreuerinnen der Antragstellerin Entlastung erteilt worden sei und einer Leistungspflicht der Versicherung vorvertragliche Anzeigepflichtverletzungen seitens der Antragstellerin bei Abschluss der Zusatzversicherungen entgegengestanden hätten.
Durch seinen angegriffenen Beschluss hat das Landgericht die beantragte Prozesskostenhilfe verweigert und sich zur Begründung darauf gestützt, dass der beabsichtigten Klage eine hinreichende Erfolgsaussicht fehle. Die unzureichende finanzielle Situation der Antragstellerin werde schon durch ihr Prozesskostenhilfegesuch belegt, sodass es seitens der Antragsgegnerin nicht pflichtwidrig gewesen sei, die monatlichen laufenden Verpflichtungen der Antragstellerin durch Kündigung der privaten Krankenzusatzversicherung zu reduzieren. Es sei auch nicht geboten gewesen, die parallel bestehende Unfallversicherung zu kündigen, da ebenso gut dort unmittelbar nach Kündigung der Versicherungsfall hätte eintreten können. Ein gesetzlicher Schutz hätte dann nicht bestanden, anders als bei der hier gekündigten privaten Krankenzusatzversicherung.
Gegen den Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Insbesondere betont die Antragstellerin, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung nicht hinreichend berücksichtigt habe, dass angesichts ihres - zur Einrichtung der Betreuung führenden - Krankheitsverlaufs der zeitnahe Eintritt des Versicherungsfalles absehbar gewesen sei, was die Antragsgegnerin bei ihrer pflichtwidrigen Kündigung gerade der privaten Kranken- und Pflegezusatzversicherung unberücksichtigt gelassen habe.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache - zumindest vorläufigen - Erfolg. Die vom Landgericht angeführte Begründung für die Verweigerung der Prozesskostenhilfe trägt auf Basis des bisherigen Vorbringens der Parteien nicht.
Auf Grundlage des bislang vorliegenden Vortrags der Parteien erscheint ein Erfolg der Klage ebenso möglich wie eine letztliche Klageabweisung. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Antragstellerin ihren laufenden monatlichen Zahlungsverpflichtungen damals nicht nachkommen konnte und daher für die Antragsgegnerin Handlungsbedarf bestand. Ebenfalls verweist die Antragsgegnerin zu Recht darauf, dass sie vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin - trotz ihrer prekären finanziellen Situation - noch die Versicherungsbeiträge für ihre Töchter und eine Enkelin leistete...