Leitsatz (amtlich)
Auch im elektronischen Rechtsverkehr ist es unerlässlich, den Versandvorgang auf eine ordnungsgemäße Übermittlung hin zu überprüfen. Das erfordert die Kontrolle, ob die Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht nach § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO erteilt wurde.
Ist eine vorgeschriebene Übermittlung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument nicht erfolgreich, muss eine zumutbare fristwahrende Alternative auf einem herkömmlichen Übermittlungsweg gewählt werden.
Normenkette
ZPO § 130a Abs. 5, § 130d S. 2, § 233
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 9 O 55/22) |
Tenor
1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Mainz vom 26.07.2022, Aktenzeichen 9 O 55/22, wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mainz vom 26.07.2022, Aktenzeichen 9 O 55/22, wird als unzulässig verworfen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.600 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger wehrt sich mit seiner Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil in einem sog. Dieselverfahren. Er erstrebt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zum einen die Verurteilung der Beklagten, an ihn einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 25 % des Kaufpreises des Fahrzeugs (30.387,00 EUR), mindestens somit 7.596,75 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen, hilfsweise zur Zahlung Zug eines Betrags von 30.387,00 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Verkaufserlöses in Höhe von 19.413,00 EUR und unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung sowie in beiden Fällen darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten, ihn von den Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.242,84 EUR freizustellen.
Die erstinstanzliche Endentscheidung ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 28.07.2022 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete, auf den 29.08.2022 datierende Berufung hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten am 30.08.2022, einem Dienstag, um 20:44 Uhr durch sichere Übermittlung aus einem besonderen Anwaltspostfach beim Berufungsgericht eingereicht.
Hieraufhin hat der Senat die Klägerseite darauf aufmerksam gemacht, dass er die Berufung infolge Verfristung für unzulässig halte und aus diesem Grund beabsichtige, das Rechtsmittel gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Auf diesen, am 04.11.2022 zugestellten Hinweis haben die klägerischen Prozessbevollmächtigten mit am 07.11.2022 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung beantragt, dass die Berufungseinlegungsfrist ohne Verschulden versäumt worden sei. Am 29.08.2022 habe es eine bundesweite beA-Störung gegeben. Es sei der Übermittlungscode "W0001 Laufzettel wurde noch nicht entschlüsselt!" angezeigt worden. Dieser Fehlercode habe keinen Hinweis darauf gegeben, was das genaue Problem sei. Auch hätten die Prozessbevollmächtigten des Klägers keine Störmeldungen seitens beA gehabt, die im Zusammenhang mit deren Nachrichten gestanden hätten. Entsprechende Anfragen beim beA-Support seien bislang unbearbeitet. Somit sei zum damaligen Zeitpunkt nicht ersichtlich gewesen, dass die in Rede stehende Nachricht - also der Berufungseinlegungsschriftsatz - tatsächlich nicht übermittelt worden sei.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen; sie hat sich zum Wiedereinsetzungsantrag nicht weiter geäußert.
Ergänzend wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Sie ist zwar gemäß § 511 ZPO statthaft. Jedoch wurde das Rechtsmittel nicht fristgerecht eingelegt.
1. Die Berufungsfrist beträgt nach § 517 ZPO einen Monat und beginnt mit der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Diese erfolgte gegenüber den Klägervertretern am 28.07.2022. Die Frist zur Berufungseinlegung endete damit mit Ablauf des 29.08.2022, da der 28.08.2022 ein Sonntag war, § 222 Abs. 2 ZPO. Die erst am 30.08.2022 eingegangene Berufung erweist sich somit als verfristet.
Gemäß § 130a Abs. 5 S. 1 ZPO ist ein elektronisches Dokument eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. Ob es von dort aus rechtzeitig an andere Rechner innerhalb des Gerichtsnetzes weitergeleitet oder von solchen Rechnern abgeholt werden konnte, ist demgegenüber unerheblich (vgl. BGH FamRZ 2022, 1044). Danach ist ein fristgerechter Eingang noch am 29.08.2022 hier nicht ersichtlich. Der Prüfvermerk weist als Eingangszeitpunkt den 30.08.2022, 20:44:09 Uhr aus (zu Bl. 1 d.A. 2. Inst.). Ein fristgerechter Eingang wird auch vom Kläger angesichts der vorgetragenen bundesweiten beA-Störung am 29.08.2022 nicht geltend gemacht.
2. Dem Kläger war ebenfalls keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Denn die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung war nicht unverschuldet, § 233 ZPO. Der Kläger muss sich gem...