Leitsatz (amtlich)
1. Die Erinnerungsentscheidung über den Kostenansatz für ein Berufungsverfahren beim LG kann nach neuem Recht mit der Beschwerde zum OLG angefochten werden (gegen OLG Celle AGS 2006, 245).
2. Auf eine Kostenansatzbeschwerde in einem vor dem 1.7.2004 anhängig gewordenen Berufungsverfahren ist das alte GKG auch dann weiter anzuwenden, wenn die Beschwerde nach dem 30.6.2004 eingelegt wurde (Anschluss an BGH v. 17.5.2006 - XII ZB 233/05, BGHReport 2006, 1138 = MDR 2007, 115).
3. Ist eine Beschwerde demzufolge nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F. ausgeschlossen, kann die landgerichtliche Entscheidung über die Erinnerung gleichwohl mit der Beschwerde zum OLG angefochten werden, wenn beim LG der funktionell unzuständige Einzelrichter nach neuem Recht (§ 66 Abs. 6 Satz 1 GKG n.F.)über die Erinnerung entschieden hat(Grundsatz der Meistbegünstigung).
4. Im Hinblick auf § 5 Abs. 2 Satz 2 GKG a.F. ist dem OLG jedoch eine eigene Sachentscheidung verwehrt; hierzu ist allein das LG in der Besetzung mit drei Berufsrichtern befugt.
Normenkette
GKG n.F. § 66; GKG §§ 71-72; GKG a.F. § 5; ZPO §§ 567-568; GVG § 75
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 18.12.2006; Aktenzeichen 6 S 354/03) |
AG Koblenz (Aktenzeichen 132 C 1584/03) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der Einzelrichterin des LG Koblenz vom 18.12.2006 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an das LG Koblenz zurückverwiesen, das über die Erinnerung des Klägers in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zu befinden hat.
III. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Der klagende Vermieter hat in einem Räumungsrechtsstreit, der in erster Instanz beim AG anhängig war, beim LG obsiegt. Dessen Urteil datiert vom 14.6.2004. Eine Übertragung auf den Einzelrichter (§ 526 ZPO) war nicht erfolgt.
Dem beklagten Mieter war für das Berufungsverfahren uneingeschränkt Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Das LG hat ihm die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Gleichwohl ist der Kläger mit Kostenrechnung vom 20.11.2006 als Zweitschuldner für die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens in Anspruch genommen worden.
Dagegen richtete sich die Erinnerung des Klägers. Der Rechtsbehelf ist von der Einzelrichterin des LG zurückgewiesen worden. Der Beschwerde des Klägers hat sie nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Das Rechtsmittel ist statthaft. Das ist nicht dadurch in Frage gestellt, dass eigentlich die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes in der Fassung vom 15.12.1975 (BGBl. I, 3047) - GKG alte Fassung - maßgeblich sind. Das ergibt sich aus Folgendem:
Erinnerung und Beschwerde sind zwar erst Ende 2006 und damit deutlich nach Inkrafttreten des neuen Gerichtskostengesetzes eingelegt worden. Gleichwohl war aber altes Recht anzuwenden. Nach der Übergangsregelung des § 72 Nr. 1 Halbs. 1 GKG ist in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem 1.7.2004 anhängig geworden sind, das Gerichtskostengesetz in der bisher geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Aus der Einschränkung des § 72 Nr. 1 Halbs. 2 GKG, nach der dies nicht im Verfahren über ein Rechtsmittel gilt, das nach dem 1.7.2004 eingelegt worden ist, ergibt sich nichts anderes. "Rechtsmittel" im Sinn dieser Vorschrift sind nämlich nur Rechtsmittel in der Hauptsache, nicht auch die im Gerichtskostengesetz geregelten Rechtsbehelfe gegen die Streitwertfestsetzung oder den Kostenansatz. Das ergibt sich aus dem von der allgemeinen Übergangsvorschrift des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG abweichenden Wortlaut des § 72 Nr. 1 Halbs. 1 GKG und aus dem mit dieser Sonderregelung verfolgten Gesetzeszweck (vgl. zum Ganzen BGH in MDR 2007, 115 m.w.N.). Nach der allgemeinen Übergangsregelung des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG werden in Verfahren, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung anhängig geworden sind, die Gerichtskosten nach dem bisherigen Recht erhoben. Nach der Sonderregelung des § 72 Nr. 1 Halbs. 1 GKG ist demgegenüber das alte Gerichtskostenrecht in Rechtsstreitigkeiten, die vor dem Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes anhängig geworden sind, generell - ohne Beschränkung auf die Kosten - anwendbar. Mit dieser weiten Fassung soll nach der Begründung des Entwurfs für das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz "im Hinblick auf die Neuregelung des Beschwerderechts" erreicht werden, dass das bisherige Recht auch "hinsichtlich des Verfahrens" Anwendung findet (BT-Drucks. 15/1971, 158). Der Gesetzgeber wollte einen Streit darüber, ob ein Erinnerungs- oder Beschwerdeverfahren noch zur "Erhebung der Kosten" i.S.v. § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG gehört und ob damit das alte Recht schon aus diesem Grund auch auf diese Rechtsbehelfe anzuwenden ist, vermeiden. Mit dem weit gefassten Wortlaut des § 72 Nr. 1 Halbs. 1 GKG wird klargestellt, dass das bisher geltende Recht bei "Altfällen" auch für einen im Gerichtskostengesetz geregelten Rechtsbehelf maßgebend ist. Die auf dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz beruhenden Änderungen der kostenrechtlichen Recht...