Leitsatz (amtlich)
Zum Umfang der Erwerbsobliegenheit bei Betreuung eines fünfjährigen Kindes.
Normenkette
BGB § 1570
Verfahrensgang
AG Westerburg (Aktenzeichen 42 F 5/21) |
Gründe
... Im Rahmen des § 1570 BGB ist jedoch nach Vollendung des dritten Lebensjahres die Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils zu berücksichtigen. Die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls (Maurer, in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 1570 Rn. 28, 43). Nach geltender Rechtslage kann jedoch zur Bestimmung der Erwerbsobliegenheit nicht auf bestimmte Altersphasen zurückgegriffen werden (BGH, NJW 2012, 1868, 1870); vielmehr tritt an die Stelle einer schematischen Betrachtung eine Billigkeitsabwägung unter Einbeziehung aller individuellen Umstände des Einzelfalls, insbesondere auch der bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung (vgl. Maurer, a.a.O, Rn. 42 m.w.N.; von Pückler, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage, § 1570 Rn. 8 ff.). Der betreuende Elternteil wird grundsätzlich auf alle öffentlichen und privaten Betreuungsmöglichkeiten verwiesen; ist eine Fremdbetreuung möglich und ihre Inanspruchnahme für das Kind wie für den Bedürftigen in zeitlicher wie sachlicher Hinsicht zumutbar, ist dieser grundsätzlich in dem zeitlichen Umfang einschließlich Fahrzeiten erwerbsoblegen, in dem die Fremdbetreuung möglich ist, so dass ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt ganz oder teilweise entfällt (BGH, NJW 2011, 2430; NJW 2012, 1868; Maurer, a.a.O, Rn. 58). Da der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht von einer Obliegenheit der Antragsgegnerin zu einer Vollzeittätigkeit ausgeht, bedarf es keiner näheren Ausführungen, inwieweit eine solche zumutbar wäre. Vielmehr besteht zwischen den Beteiligten Streit darüber, ob die Antragsgegnerin zu einer Erwerbstätigkeit in dem Umfang verpflichtet ist, wie sie derzeit tatsächlich von ihr ausgeübt wird, oder - wovon mit der Antragsgegnerin auch das Familiengericht ausgeht - nur in einem Umfang einer halbschichtigen Tätigkeit von 20 Wochenarbeitsstunden.
Allerdings ist bei kleineren Kindern zu berücksichtigen, dass das Maß der persönlichen Zuwendung und Betreuung in der Regel größer sein wird als bei älteren, so dass der betreuende Elternteil bereits deshalb nicht darauf verwiesen werden kann, den gesamten Zeitraum dieser Drittbetreuung für eine Erwerbstätigkeit zu nutzen. Müssen nämlich alle anderen in der Familie und im Haushalt anfallenden Tätigkeiten im Anschluss an die Drittbetreuung während der Anwesenheit des Kindes oder abends erledigt werden, kann sich daraus eine überobligationsmäßige Belastung des betreuenden Elternteils durch die Erwerbstätigkeit und die verbleibende Betreuung ergeben (von Pückler, a.a.O., Rn. 11, 15). Vor diesem Hintergrund kommt unter Umständen auch eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus elternbezogenen Gründen im Sinne des § 1570 Abs. 2 BGB in Betracht, wenn der betreuende Elternteil durch Berufstätigkeit und verbleibende Betreuung und Erziehung überobligationsmäßig belastet wird.
Das gemeinsame Kind der Beteiligten besucht eine Kindertagesstätte am Wohnort der Antragsgegnerin, die theoretisch eine Betreuung von Montag bis Freitag in der Zeit von 7:00 Uhr bis 16:00 Uhr gewährleisten kann. Darüber hinaus werden Betreuungsleistungen durch die Eltern der Antragsgegnerin übernommen. So hat die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 17.09.2021 (Blatt 144 Papierakte) vorgetragen, dass bei ihrer beruflichen Verhinderung das Kind oftmals durch die Großeltern mütterlicherseits vom Kindergarten abgeholt und sodann betreut werde. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine berücksichtigungsfähige Betreuungsmöglichkeit (vgl. Lettmaier, in: BeckOGK, BGB, Stand: 01.02.2022, § 1570 Rn. 59). Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass eine entsprechende Berücksichtigung nur für Angehörige der eigenen Familie und bei einer bereits bestehenden Übung in Betracht kommt (von Pückler, in: Grüneberg, BGB, 81. Auflage, § 1570 Rn. 13). Hier erfolgt bereits seit längerer Zeit eine tatsächliche Mitbetreuung des Kindes durch die in der Nähe wohnenden und zur Betreuung bereiten Großeltern mütterlicherseits; hierdurch soll der Antragsgegnerin gerade ihre Erwerbstätigkeit ermöglicht werden. Hierfür sprechen die regelmäßigen Betreuungsanteile der Großeltern (z.B. das Hinbringen des Kindes zum Kindergarten). Anhaltspunkte, die gegen eine Bereitschaft der Großeltern zur Übernahme von Betreuungsanteilen oder deren Eignung sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller regelmäßig an den Wochenenden Umgang mit dem gemeinsamen Kind pflegt. Soweit die Antragsgegnerin nun im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit auch an jedem zweiten Samstag arbeiten muss, kommt eine anteilige Betreuung durch den Antragsteller als Kindesvater in Betracht. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass insbesondere zur Überbrückung von Betreuungsengpässen grundsätzlich auch ein dem Kindeswohl nicht widersprechendes ernsthaftes u...