Leitsatz (amtlich)
Zur gerichtlichen Fürsorge- und Hinweispflicht im Prozesskostenhilfeverfahren bei einem auf voneinander unabhängige Tatvorgänge gestützten - einheitlichen - gesamtschuldnerischen Schadensersatzbegehren.
Normenkette
ZPO §§ 114, 118, 139 Abs. 1, 3, § 308 Abs. 1, § 322 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Trier (Beschluss vom 19.03.2014; Aktenzeichen 11 O 368/13) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Trier vom 19.3.2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers vom 20.9.2013 an das LG zurückverwiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat in der Sache - vorläufigen - Erfolg.
Das LG hat das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers verfahrensfehlerhaft beschieden. Es hat, unter Missachtung der ihm obliegenden prozessualen Fürsorge- und Hinweispflicht, nicht auf die eindeutige Bestimmung des Klageantrags als allgemeine Prozessvoraussetzung für das beabsichtigte Klagebegehren hingewirkt.
1. Die Klageschrift muss neben der bestimmten Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthalten. Der Klageantrag ist grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH NJW 1999, 954 Tz. 7; Greger in Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 253 Rz. 13). Für die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs ist grundsätzlich deren Individualisierung ausreichend (BGH NJW-RR 2005, 216 Tz. 6; Greger, a.a.O., Rz. 12). Auf Bedenken hinsichtlich der (von Amts wegen zu prüfenden) Zulässigkeit des Klagebegehrens, namentlich auch hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Klageerhebung, hat das Gericht aufmerksam zu machen und auf eine Behebung des Zulässigkeitsmangels hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 und 3 ZPO; vgl. BGH NJW-RR 2007, 441 Tz. 11; Greger, a.a.O., § 139 Rz. 9).
2. Ausweislich der Antragsschrift begehrt der Antragsteller - einheitlich von allen drei Antragsgegnern als Gesamtschuldnern - die Zahlung eines den Mindestbetrag von 25.000 EUR nicht unterschreitenden Schmerzensgeldes nach gerichtlicher Ermessensentscheidung nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (Leistungsanträge zu 1. und 2.); des Weiteren - einheitlich gegenüber allen drei Antragsgegnern - die Feststellung ihrer Ersatzpflicht hinsichtlich "aller künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus den Körperverletzungshandlungen vom 27.5.2011 und vom 6.2.2012 [gemeint wohl: 6.2.2011], soweit diese Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind" (Feststellungsantrag zu 3. a) sowie die Feststellung des Herrührens der geltend gemachten Zahlungsansprüche aus "einer rechtswidrig begangenen unerlaubten Handlung" (Feststellungsantrag zu 3. b [gemeint wohl: vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung; vgl. § 302 Nr. 1 InsO]).
Aus der Antragsbegründung erhellt indessen, dass der Antragsteller Schadensersatz (Vermögensschaden und Schmerzensgeld) aus zwei in zeitlicher, örtlicher und persönlicher Hinsicht von einander unabhängigen Tatvorgängen am 27.5.2011 ("Übertätowierung") sowie am 6.6.2011 ("Übergriff in der Lagerhalle") verlangt. Hinsichtlich der erstgenannten Tat will er die - gemeinschaftlich handelnden - Antragsgegner zu 1. bis 3., hinsichtlich der zweitgenannten Tat aber nur die - gemeinschaftlich handelnden - Antragsgegner zu 1. und 3. in Anspruch nehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH wird der Streitgegenstand - prozessualer Anspruch - durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt - Klagegrund - bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH NJW-RR 2012, 1506 Tz. 17; NJW 2014, 314 Tz. 15). Im Streitfall liegen demnach unterschiedliche Streitgegenstände vor, die der Antragsteller im Wege der kumulativen oder womöglich auch eventuellen (subjektiven wie objektiven) Klagehäufung geltend machen will. Dieses Klagebegehren kann er aber prozessual zulässig nicht mit einem - einheitlichen - unbestimmten Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld unter Angabe eines - einheitlichen - Mindestbetrages gegen alle Antragsgegner verfolgen (vgl. zur Bestimmtheit der Schmerzensgeldklage BGHZ 132, 341; NJW 2002, 3769). Es ist vielmehr zwingend die Angabe erforderlich, mit welchem Anteil respektive in welcher Reihenfolge die (selbständigen) prozessualen Ansprüche in Ansehung der Gesamtforderung geltend gemacht ...