Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die berufliche Qualifikation eines Verteidigers in Fällen notwendiger Verteidigung
Leitsatz (amtlich)
›1. Im Fall der notwendigen Verteidigung ist die Zulassung eines vom Angeklagten Gewählten, der nicht zu den in § 138 Abs. 1 StPO genannten Personen zählt, als alleiniger Verteidiger nicht möglich; er darf nur in Gemeinschaft mit einer solchen, unter § 138 Abs. 1 StPO fallenden Person als Wahlverteidiger zugelassen werden.
2. Die Entscheidung darüber trifft das mit der Sache befasste Gericht nach billigem Ermessen; sie wird in der Beschwerdeinstanz nur auf Ermessensfehler überprüft.
3. Ist vorab schon absehbar, dass der Gewählte den für einen anwaltlichen Verteidiger geltenden Verhaltensregeln nicht entsprechen wird oder kann, ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Gericht im Interesse eines objektiv und sachlich zu führenden Verfahrens und damit letztlich auch im Interesse des Angeklagten die Zulassung des Gewählten ablehnt.‹
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 20.09.2007) |
Gründe
Der angefochtene Beschluss entspricht der Sach- und Rechtslage. Die nicht ausgeführte Beschwerde rechtfertigt keine andere Entscheidung.
a) Der vom Antragsteller begehrten Genehmigung zur alleinigen Verteidigung des Angeklagten steht der Gesetzeswortlaut entgegen. Gemäß § 138 Abs. 2 StPO darf in dem hier vorliegenden Fall der notwendigen Verteidigung (§ 140 Abs. 2 StPO) ein vom Angeklagten Gewählter, der wie der Antragsteller nicht zu den in § 138 Abs. 1 StPO genannten Personen zählt, nur in Gemeinschaft mit einer solchen als Wahlverteidiger zugelassen werden. Darauf hat bereits die Strafkammer hingewiesen.
b) Auch die Genehmigung, den Antragsteller in Gemeinschaft mit dem bestellten Pflichtverteidiger als Wahlverteidiger zuzulassen, hat die Kammer zu Recht versagt.
Sie entscheidet darüber als das mit der Sache befasste Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen (vgl. OLG Hamm NStZ 2007, 238, 239; Meyer-Goßner, StPO, § 138 Rdn. 13, jeweils m.w.N.). Dabei ist nach allgemeiner Meinung eine Abwägung im Einzelfall zwischen dem Interesse des Angeklagten an der Verteidigung durch eine Person seines Vertrauens und den Erfordernissen der Rechtspflege vorzunehmen. Das Gericht, das über die Zulassung befindet, muss prüfen, ob einerseits das Verteidigungsinteresse des Angeklagten die Zulassung des von ihm Bevollmächtigten als Wahlverteidiger rechtfertigt und ob andererseits die Belange der Rechtspflege der Zulassung nicht entgegenstehen. Dabei ist zu beachten, dass § 138 Abs. 2 StPO zwar auf Grund seiner Entstehungsgeschichte als Ausnahmebestimmung anzusehen ist, die Genehmigung aber gleichwohl nicht nur auf besondere Ausnahmefälle beschränkt werden darf. Das bedeutet, dass die Zulassung erfolgen muss, wenn die gewählte Person das Vertrauen des Angeklagten hat, sie genügend sachkundig und vertrauenswürdig erscheint und auch sonst keine Bedenken gegen ihr Auftreten als Verteidiger bestehen (OLG Hamm, Meyer-Goßner, jeweils aaO. und m.w.N.).
Nach dieser Maßgabe ist die Entscheidung der Kammer, die durch das Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler überprüft wird (OLG Hamm aaO.; Meyer-Goßner aaO., Rdn. 23, jeweils m.w.N.), nicht zu beanstanden. Sie hat bei Ablehnung der Genehmigung auf den Inhalt der vom Antragsteller zu den Akten gereichten Schriftsätze, insbesondere den des Schreibens vom 1. August 2007 abgestellt und darin ein mangelndes Verständnis für den Ablauf eines geordneten Strafprozesses erkannt. Willkür oder ein sonstiger Ermessensfehlgebrauch sind in dieser Begründung nicht erkennbar. Sie wird durch die für Rechtsanwälte geltenden berufsrechtlichen Vorschriften gestützt. Diese sind auf einen nach § 138 Abs. 2 StPO zulassungspflichtigen Verteidiger zwar nicht unmittelbar, jedoch mittelbar nach Sinn und Zweck anzuwenden. Dabei ist dem Umstand, dass es sich bei § 138 Abs. 2 StPO um eine Ausnahmevorschrift handelt, besonders Rechnung zu tragen. Soll ein "Nichtrechtsanwalt" als Verteidiger am Verfahren teilnehmen, muss von ihm wegen des Ausnahmecharakters dieser Verfahrenssituation die Einhaltung der für Rechtsanwälte in dieser Position geltenden Verhaltensvorschriften in besonderem Maß verlangt werden. In jedem Fall unterliegt auch er dem speziellen Sachlichkeitsgebot nach § 43a Abs. 3 S. 2 BRAO. Wie ein Rechtsanwalt muss er sachlich und professionell vortragen und herabsetzende Äußerungen unterlassen, zu denen andere Beteiligte oder der Verfahrensverlauf keinen Anlass gegeben haben. Es kann offen bleiben, ob das Sachlichkeitsgebot bei einem Rechtsanwalt nur verletzt ist, wenn seine Äußerung nach Inhalt und Form als strafbare Beleidigung zu bewerten ist (vgl. Henssler/Prütting-Eylmann, BRAO, § 43a Rdn. 122). Das mag für die berufsrechtliche Ahndung anwaltlicher Äußerungen erforderlich sein (Eylmann aaO.). Darauf ist jedoch bei einem gewählten Verteidiger, der nach § 138 Abs. 2 StPO zur Verteidigung zugelassen werden soll, wegen des Ausnahmecharakters seiner Verfahrensstellung nicht abzustelle...