Leitsatz (amtlich)
1. Ist der Erbe dazu verurteilt worden, durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses Auskunft über den Nachlassbestand zu geben, sind nicht der Kenntnisstand und die Erkenntnismöglichkeiten des Notars sondern die des Erben der Maßstab dafür, ob die Auskunft vollständig gegeben wurde.
2. Hat der Pflichtteilsberechtigte schlüssig dargelegt, dass der Erbe noch nicht vollständig Auskunft über den Nachlassbestand gegeben hat, kann er die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO betreiben und ist nicht darauf zu verwiesen, vom Erben die eidesstattliche Versicherung über die Vollständigkeit der Auskunft zu verlangen.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 4 O 101/16) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 9.2.2018 wird der Beschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 26.1.2018, Az. 4 O 101/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Schuldner ist mit Teilurteil des Landgerichts Koblenz vom 6.10.2016, 4 O 101/16, unter Ziffer 1 verurteilt worden, dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 6.2.2013 in Neuwied verstorbenen Erblasserin Frau H, geborene B, geschiedene G, geboren am 13.7.1939, zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zum Stichtag 6.2.2013, welches insbesondere die folgenden Punkte umfasst:
- Nachlass bestand [richtig: Nachlassbestand] zum Todestag wobei die einzelnen Nachlassgegenstände so genau zu beschreiben sind, dass eine Bewertung möglich ist;
- alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (aktiver [richtig: Aktiva]) des realen Nachlass bestands [richtig: Nachlassbestands];
- soweit Immobilien sich im Nachlass befinden, sind diese im Einzelnen anzugeben und es ist durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen der Wert zu ermitteln;
- soweit Geldmittel sich im Nachlass befinden, ist vorgefundenes Bargeld anzugeben und bei Konten sind die Mitteilungen des Kreditinstituts an die Finanzverwaltung im Rahmen des ErbStG (Erbschaftssteuermitteilung) vorzulegen;
- alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser-/Erbfallschulden);
- alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat, einschließlich sämtlicher Nachlass fiktiver [richtig: Nachlassfiktiva], insbesondere Schenkungen der Erblasserin während der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall an Dritte sowie während der Ehe an den Beklagten oder bei Nießbrauchsvorbehalt auch außerhalb von zehn Jahren vor dem Tod der Erblasserin;
- sämtliche Lebensversicherungsverträge und Verträge zugunsten Dritter, wobei die Namen der Begünstigten und die vertraglichen Regelungen zu offenbaren sind;
- den Güterstand, in dem die Erblasserin verheiratet gewesen ist.
Zur Erzwingung der Erfüllung dieser Verpflichtung wird gegen den Schuldner ein Zwangsgeld in Höhe von 500 EUR verhängt, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 100 EUR ein Tag Zwangshaft.
Die Vollstreckung des Zwangsmittels entfällt, sobald der Schuldner der obigen Verpflichtung nachgekommen ist.
Die Kosten des Verfahrens hat der Schuldner zu tragen.
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
3. Der Beschwerdegegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger (Gläubiger) verfolgt gegenüber dem Beklagten (Schuldner) Pflichtteilsansprüche nach dem Tod seiner Mutter (Erblasserin). Der Beklagte ist der zweite Ehemann der Erblasserin und deren Erbe.
Der Kläger nimmt den Beklagten vor dem Landgericht Koblenz, Az. 4 O 101/16, im Wege der Stufenklage auf Auskunft, eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft und auf Zahlung des Pflichtteils in Anspruch. Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 6.10.2016 verurteilte das Landgericht Koblenz den Beklagten unter anderem, Auskunft über den Bestand des Nachlass der Erblasserin durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu erteilen (Bl. 64 GA). Eine Ausfertigung des Urteils wurde den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 12.10.2016 zugestellt (Bl. 73 GA). Dem Kläger wurde am 14.11.2016 eine vollstreckbare Ausfertigung des Teilurteils erteilt (Bl. 76 GA).
Der Kläger betreibt aus diesem Titel die Zwangsvollstreckung. Mit am 14.12.2016 bei dem Landgericht Koblenz eingegangenen Schriftsätzen vom 13.12.2016 und 14.12.2016 (Bl. 77,118 GA) hat der Kläger die "Androhung" eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft, beantragt. Das von dem Beklagten vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis vom 9.1.2018 (Anlage B5) sei unvollständig. Die dortigen Angaben korrespondierten nicht mit dem Umstand, dass die Erblasserin, welche einen äußerst sparsamen Lebenswandel geführt habe, ihrerseits ihren am 21.7.2010 verstorbenen Bruder Karl-Heinz B beerbt und der Nachlass sich, zurückgerechnet von der gezahlten Erbschaftssteuer von knapp 46.000 EUR, auf zumindest rund 230.000 EUR belaufen habe. Der Notar sei in diesem Zusammenhang seiner...