Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsanspruch. Erstattungsanspruch. Pflichtverteidiger. Gebühren. Grundgebühr. Verfahrensgebühr. Vergütung. Verbundverfahren
Leitsatz (amtlich)
Den Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers für seine Tätigkeit in Verbundverfahren regelt § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG für alle hinzuverbundenen Verfahren, unabhängig davon, ob die Beiordnung vor oder nach der Verbindung erfolgt.
Normenkette
RVG § 48 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 19.01.2012; Aktenzeichen 2 Qs 104/11) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landgericht Koblenz wird der Beschluss der 2. großen Staatskammer des Landgerichts Koblenz vom 19. Januar 2012 aufgehoben.
Die Rechtsanwältin A. aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird auf 854,66 € festgesetzt.
Gründe
Das Verfahren betrifft den Erstattungsanspruch der Pflichtverteidigerin gegen die Staatskasse im Falle der Verbindung von Strafverfahren.
I. 1. Mit dem Verfahren 2060 Js 55729/10 wurden dem Verurteilten durch Anklageschrift vom 10. März 2011 sieben Diebstähle im besonders schweren Fall, zwei Fälle der Tierquälerei durch unnötige Tötung eines Wirbeltiers und eine Sachbeschädigung zur Last gelegt. In diesem Verfahren zeigte Rechtsanwältin A. am 1. April 2011 die Vertretung des Verurteilten an. Die Anklage wurde durch Beschluss des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 1. Juni 2011 zugelassen und das Hauptverfahren vor diesem Gericht eröffnet. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte Rechtsanwältin A., für dieses Verfahren als Pflichtverteidigerin beigeordnet zu werden.
Darüber hinaus wurden dem Verurteilten im Verfahren 2060 Js 21485/11 mit Anklageschrift vom 13. Mai 2011 zwei weitere (einfache) Diebstähle zur Last gelegt; hier hatte Rechtsanwältin A. bereits am 15. März 2011 die Vertretung des Verurteilten angezeigt. Mit Eröffnungsbeschluss vom 6. Juni 2011 verband das Jugendschöffengericht dieses Verfahren mit dem führenden Verfahren 2060 Js 55729/10. Mit Beschluss vom gleichen Tag wurde Rechtsanwältin A. dem Verurteilten als Pflichtverteidigerin gemäß §§ 140 Abs. 2 StPO, 68 Nr. 1 JGG beigeordnet.
Der Verurteilte wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Bad Neuenahr-Ahrweiler vom 20. Juni 2011, rechtskräftig seit dem 27. Februar 2012, wegen der ihm zur Last gelegten Taten zu einer Einheitsjugendstrafe von 8 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
2. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2011 beantragte Rechtsanwältin A., ihr Gebühren aus der Staatskasse in Höhe von 1.325,90 € zu erstatten. Dabei machte sie Grund- und Verfahrensgebühren sowohl für das Hauptsacheverfahren 2060 Js 55729/10 als auch für das Verbundverfahren 2060 Js 21485/11 geltend.
Mit Beschluss vom 11. Juli 2011 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu ersetzende Vergütung auf 854,66 € fest. Die Kosten des Verbundverfahrens 2060 Js 21485/11 seien nicht zu erstatten, da insoweit keine Erstreckung der Beiordnung erfolgt sei. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Verteidigerin wies das Jugendschöffengericht durch Beschluss vom 13. September 2011, zugestellt am 16. September 2011, zurück.
Auf die hiergegen am 16. September 2011 eingelegte Beschwerde hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Koblenz mit Beschluss vom 19. Januar 2011 die Entscheidung der Urkundsbeamtin aufgehoben und die zu erstattende Vergütung - antragsgemäß - auf 1.325,90 € festgesetzt. Die Strafkammer ist der Auffassung, Grund- und Verfahrensgebühren seien der Pflichtverteidigerin gemäß § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG auch für das Verbundverfahren zuzuerkennen; § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG sei nicht anzuwenden, da die Verfahrensverbindung bereits vor der Beiordnung erfolgt sei. Die Entscheidung, gegen die das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden ist, wurde dem Bezirksrevisor am 31. Januar 2012 zugestellt.
Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landgericht Koblenz, der die Strafkammer durch Beschluss vom 27. Februar 2012 nicht abgeholfen hat. Die Verteidigerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II. 1. Die weitere Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG zulässig, da das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und das Rechtsmittel wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat. Auch ist die Beschwerde innerhalb der gesetzlichen Frist von 2 Wochen eingelegt worden (§ 33 Abs. 6 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 RVG).
Über das Rechtsmittel hat der Senat gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 iVm § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 2 RVG als Kollegialgericht zu entscheiden, weil die Strafkammer die angefochtene Entscheidung in entsprechender Besetzung erlassen hat (vgl. OLG Koblenz 2 Ws 526/09 v. 16.11.2009, juris Rn. 4).
2. Das Rechtsmittel des Bezirksrevisors hat auch in der Sache Erfolg.
a) Zunächst ist der Beschluss vom 19. Januar 2012 formell nicht ordnungsgemäß ergangen, da nach § 5...