Leitsatz (amtlich)
1. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs ist nicht deshalb unbillig, weil ein Ehegatte, der während der Ehezeit schwer erkrankt ist, zum Lebensunterhalt nichts beitragen kann - und auch vor seiner Erkrankung kaum erwerbstätig war.
2. Wegen der Möglichkeit eines Rückausgleichs nach § 37 VersAusglG spielt auch keine Rolle, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte wegen seiner Erkrankung das Rentenalter aller Voraussicht nach nicht erleben wird.
Normenkette
VersAusglG §§ 27, 37
Verfahrensgang
AG Bingen am Rhein (Beschluss vom 26.03.2015; Aktenzeichen 80 F 68/14) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Bingen am Rhein vom 26.03.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.769,60 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die beteiligten Eheleute, die spätestens seit dem 10.04.2013 getrennt leben, schlossen am 09.05.1996 die Ehe. Die Zustellung des Scheidungsantrags datiert vom 26.07.2014.
Die Antragstellerin ist 43, der Antragsgegner 54 Jahre alt. Die elterliche Sorge für die zzt. 16-jährige Tochter übt die Antragstellerin alleine aus; der Antragsgegner ist dazu krankheitsbedingt nicht in der Lage.
Er erkrankte 2006 und befindet sich seit August 2008 dauerhaft in einem Pflegeheim. Er leidet u.a. an Epilepsie und progredienter Demenz. Zu einer Kommunikation ist er nicht mehr in der Lage. Seit Ende 2009 ist rechtliche Betreuung angeordnet (AG - Betreuungsgericht - Bad Kreuznach, 6 XVII 559/09). Die Betreuung, die zunächst die Antragstellerin führte, nimmt seit 24.04.2013 die Mutter des Antragsgegners wahr.
Die Antragstellerin, die 2014 ein monatliche Nettoeinkommen von rd. 2.200,00 EUR erzielte, trägt gemeinsame Verbindlichkeiten in Höhe von 54.500,00 EUR mit mtl. 376,00 EUR bis 2019 ab. Dem liegt ein Darlehen bei der ... [A] vom 09.10.2007 zugrunde, das die beteiligten Eheleute wegen der durch die Krankheit des Antragsgegners erhöhten Lebenshaltungskosten aufnahmen.
Der Antragsgegner, der zuletzt selbständig tätig war, verfügt seit Oktober 2003 über kein rentenrechtlich relevantes Erwerbseinkommen mehr (Bl. 31R VA), weshalb er keine Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht.
In der Ehezeit erwirtschaftete er bis Oktober 2003 monatlich im Durchschnitt 0,0472 EP. Davon entfallen auf Kindererziehungszeiten die 63 Monate von 01.02.2003 bis 30.04.2008.
Beide Eheleute - der Antragsgegner vertreten durch seine Betreuerin - haben sich vor dem AG für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs ausgesprochen. Seine Durchführung sei grob unbillig. Die Antragstellerin habe die Familie alleine versorgt, ohne dass der Antragsgegner nachhaltig zum Familienunterhalt beigetragen habe.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das AG die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich mit einem Kapitalsaldo i.H.v. 43.851,53 EUR zu Lasten der Antragstellerin durchgeführt.
Hiergegen wendet sie sich mit ihrer Beschwerde, mit der sie ihren erstinstanzlichen Vortrag vertieft und zur Begründung einer groben Unbilligkeit der Durchführung des Versorgungsausgleichs ergänzend auf Folgendes abstellt:
Der Antragsgegner werde aller Voraussicht nicht das Renteneintrittsalter erreichen. Mehrere Lebensversicherungen des Antragsgegners hätten zur Bestreitung des erhöhten Lebensbedarfs aufgelöst werden müssen und stünden ihr nun nicht mehr - über den Versorgungsausgleich - zur Verfügung.
II. Die nach §§ 58 ff. FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das AG hat zu Recht davon abgesehen, die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG auszuschließen. Grobe Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG liegt nur dann vor, wenn eine umfassende Abwägung aller maßgeblichen Umstände es rechtfertigt, vom Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, der dauerhaft gleichmäßigen Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften (Halbteilungsgrundsatz), abzuweichen.
Die Durchführung muss zu krass ungerechten Ergebnissen führen (Senat, Beschlüsse vom 24.02.2015 - 11 UF 849/14 = FamRZ 2015, 1116 ff.; 29.4.2014 - 11 UF 472/13; 3.2.2014 - 11 UF 549/13; 27.1.2014 - 11 UF 564/13). Die Härteklausel, nach der der Versorgungsausgleich ganz oder teilweise ausgeschlossen werden kann, dient nur dem Ausgleich grober Unbilligkeit. Eine Korrektur von Berechnungsergebnissen, die als ungerecht oder unangebracht empfunden werden können, ist auf diesem Wege nicht zu erreichen. Vielmehr müsste die gebotene abwägende Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu der Bewertung führen, äußerste Grenzen seien überschritten. Die Abweichung von der Halbteilung ist nur gerechtfertigt, um unerträgliche, sittenwidrige Ergebnisse zu vermeiden. Die dabei anzulegenden Maßstäbe sind weitaus strenger als bei der Anwendung des § 242 BGB (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 11.12.2014 - 13 UF 205/13 -, Rdnr. 25, juris).
Das Risiko der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit und das damit verbundene Ris...