Entscheidungsstichwort (Thema)
Räumung. Zum Kündigungsgrund der Hinderung an angemessener wirtschaftlicher Verwertung
Normenkette
BGB § 564b Abs. 2 Nr. 3 S. 1
Verfahrensgang
AG Mainz (Aktenzeichen 8 C 46/86) |
LG Mainz (Aktenzeichen 3 S 57/88) |
Tenor
Bei einem beabsichtigten Verkauf des Grundstücks oder der Eigentumswohnung entfällt ein Kündigungsrecht des Eigentümers gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB nicht schon deshalb, weil er das Mietobjekt zu einem früheren Zeitpunkt in vermietetem Zustand erworben hat.
Tatbestand
I.
Die Beklagte ist Mieterin einer den Klägern gehörenden 240 qm großen Eigentumswohnung.
Die Kläger hatten die von den Voreigentümern im Wege der Teilungserklärung neu gebildete Eigentumswohnung, die bereits vor der Umwandlung an die Beklagte vermietet war, im Juli 1983 mit der Absicht gekauft, selbst dort einzuziehen. Ihr Wohnungseigentum wurde am 16.7.1984 in das Grundbuch eingetragen. In der Folgezeit hatten sie die Beklagte erfolglos auf Räumung verklagt. Mittlerweile ist die eheähnliche Lebensgemeinschaft der Kläger gescheitert und damit deren ursprüngliches Interesse an einer eigenen Nutzung der Eigentumswohnung weggefallen. Die Kläger wollen deshalb die Eigentumswohnung wieder verkaufen. Mit Schreiben vom 31.7.1985 haben sie der Beklagten zum 31.7.1986 gekündigt mit der Begründung, im Falle eines weiterbestehenden Mietverhältnisses würden sie an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung der Eigentumswohnung gehindert und dadurch einen erheblichen Nachteil erleiden: Bei einer Fortsetzung des Mietverhältnisses wäre lediglich ein Kaufpreis von 140.000,– DM zu erzielen, unvermietet wäre die Eigentumswohnung dagegen für 325.000,– DM zu verkaufen.
Die Beklagte widersprach der Kündigung.
Die daraufhin von den Klägern erhobene (erneute) Räumungsklage hat das Amtsgericht – nach Einholung eines Sachverständigengutachtens – abgewiesen und hierzu im wesentlichen ausgeführt: Die Kläger hätten nicht bewiesen, daß sie bei einem Verkauf der Eigentumswohnung in vermietetem Zustand einen erheblichen Kaufpreisverlust hinnehmen müßten.
Mit der hiergegen eingelegten Berufung verfolgen die Kläger unter Vorlage einer Wirtschaftlichkeitsberechnung ihr Räumungsbegehren weiter.
Das Landgericht hat – wegen grundsätzlicher Bedeutung – mit Beschluß vom 13.9.1988 dem Senat folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:
Kann ein Vermieter, der eine vermietete Eigentumswohnung gekauft hat, dieselbe später gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 3 BGB mit der Begründung kündigen, er sei an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung dann gehindert, wenn er die Wohnung vermietet und deshalb zu einem erheblich geringeren Preis weiterveräußere?
Das Landgericht meint, ein Kündigungsgrund (§ 564 b Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB) liege zwar grundsätzlich dann vor, wenn bei einem beabsichtigten Verkauf des Mietobjekts ein wesentlich geringerer Preis als bei unvermieteter Wohnung zu erzielen wäre. In Anlehnung an eine frühere Entscheidung (LG Mainz WM 1987, 394 f. unter Bezugnahme auf LG München I WM 1984, 247) neigt es jedoch der Auffassung zu, daß dieser Grundsatz dann nicht gelte, wenn der Verkäufer (Vermieter) die Eigentumswohnung zuvor in vermietetem Zustand und deshalb bereits mit entsprechendem Preisvorteil erworben habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist nach Art. III Abs. 1 des 3. MietRÄndG zulässig.
Der Rechtsstreit betrifft ein Mietvertragsverhältnis über Wohnraum.
Mit der Vorlage will das Landgericht im Kern eine Rechtsfrage zu § 564 b Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB beantwortet haben. Die Feststellung dazu, ob sich die wirtschaftliche Verwertung eines vermieteten Grundstücks als angemessen darstellt und der Vermieter erhebliche Nachteile erleiden würde, falls er an dieser Verwertung gehindert würde, hängt zwar weitgehend von den Umständen des Einzelfalles ab. Solche auf tatsächlichem Gebiet liegende Fragen sind einem Rechtsentscheid nicht zugänglich (BayObLG RES § 564 b BGB Nr. 27 – NJW 1984, 372; vgl. auch BGH RES § 549 BGB Nr. 3 – BGHZ 92, 213). Eine dahingehende Tatfrage will das Landgericht aber nicht geklärt wissen. Ihm geht es vielmehr darum, ob § 564 b Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 BGB – losgelöst von dem jeweiligen Einzelfall – eine einschränkende Auslegung in seinem Sinne für den Fall der Weiterveräußerung einer bereits vermietet erworbenen Eigentumswohnung ermöglicht.
Die Rechtsfrage ist auch entscheidungserheblich. Das Landgericht hat sonstige Gründe für einen möglichen Ausschluß des Kündigungsrechtes erwogen (§ 564 b Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB) und verneint. Die Vorlage ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil eine Beweisaufnahme über die Höhe des erzielbaren Verkaufserlöses ergeben könnte, daß es auf die Vorlagefrage nicht mehr ankommt. Das Landgericht ist nämlich zur Vorlage einer Rechtsfrage zum Rechtsentscheid bereits dann berechtigt und verpflichtet, wenn die Berufung, über die es zu entscheiden hat, auch nur bei einer der möglichen Antworten, die auf die Rechtsfrage gegeben werden könnte, ohne Beweisaufnahme zur Endentscheidung rei...