Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur groben Fahrlässigkeit bei Entstehen eines Bordellbrandes durch Kerze oder glimmende Zigarette

 

Normenkette

VVG §§ 16-17, 22, 61

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 4 O 78/00)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Koblenz vom 29.1.2001 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 12.782,30 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 26.8.1999 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Das ist Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Feuerversicherung in Anspruch.

Die Klägerin betrieb in G. ein Bordell, für das sie bei der Beklagten im Februar 1999 eine Feuerversicherung abgeschlossen hatte. In diesem waren sie selbst und zwei weitere Damen tätig. Am 9.8.1999 kam es in dem Bordell zu einem Brand. Der Sachschaden an dem Inventar betrug 25.000 DM. Die Beklagte hat ihre Leistungspflicht mit der Begründung verneint, der Schaden sei von der Klägerin grob fahrlässig herbeigeführt worden. Außerdem habe sie ihre vorvertraglichen Anzeigepflichten verletzt, weil sie beim Abschluss des Vertrages bewusst falsche Angaben über das zu versichernde Objekt gemacht habe. Mit Schreiben vom 24.8.1999 hat sie den Rücktritt vom Versicherungsvertrag erklärt und hilfsweise den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe grob fahrlässig den Versicherungsfall herbeigeführt. Als Brandursache komme nach den kriminalpolizeilichen Ermittlungen und den Angaben der Klägerin nur eine brennende Kerze oder eine heruntergefallene bzw. nicht ausgedrückte Zigarette in Betracht. Beide Fälle erfüllten die Anforderungen, welche die Rechtsprechung an das Vorliegen eines groben Verschuldens stelle. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

II. Die Berufung ist begründet.

1. Die Beklagte ist nicht wegen schuldhafter Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei geworden. Nach § 61 VVG wird der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat. Entgegen den Ausführungen des LG kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin vorliegend den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, im hohen Grade, außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten musste. In subjektiver Hinsicht muss es sich weiterhin um ein schlechthin unentschuldbares Fehlverhalten gehandelt haben, das das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt (Prölss/Martin, VVG Kommentar, 26. Aufl. 1998, §§ 61 Rz. 11 ff., § 6 Rz. 117 m.w.N.). Aufgrund der kriminaltechnischen Untersuchungen ist offen, ob der Brand durch eine brennende Kerze oder eine auf den Teppichboden heruntergefallene glimmende Zigarette ausgelöst wurde, wobei nach dem Polizeibericht aufgrund der Brandspuren (Brandzehrungen und Brandbeschädigungen am Sofa, Brandstelle am Teppichboden im Auflagenbereich des Kerzenständers und der Tapete) mehr dafür spricht, dass der Brand durch eine brennende und heruntergefallene Kerze verursacht wurde. Das LG meint, bei einem bekanntermaßen erheblich brandgefährdeten Teppichbodenbelag hätte jedermann einleuchten müssen, dass höchste Aufmerksamkeit darauf zu verwenden sei, dass beim Verlassen eines Zimmers weder eine Kerze brennt noch sich eine brennende Kerze auf dem Fußboden befindet. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie man übersehen könne, dass ggf. eine noch glimmende Zigarette aus der Hand auf den Boden falle und dort weiter brenne bzw. glimme. Dies sei sowohl in objektiver Hinsicht als auch in subjektiver Hinsicht grob fahrlässig, weil es sich schlechthin um ein unentschuldbares Fehlverhalten handele, dass das gewöhnliche Maß erheblich übersteige. Es liege auch kein Augenblicksversagen vor. Der Ausdruck des Augenblicksversagens beschreibe nämlich nur einen Umstand, in dem der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lasse. Um eine grobe Fahrlässigkeit zu verneinen, müssten weitere Umstände hinzu kommen, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen ließen (OLG Köln v. 25.10.1995 – 13 U 42/95, OLGReport Köln 1996, 57 = VersR 1996, 1491 [1492]). Solche besonderen Umstände seien hier nicht ersichtlich.

Diese Ausführungen des LG halten den Angriffen der Berufung nicht stand. Beide in Betracht kommende Fälle, die zur Brandursache geführt haben können, sind vorliegend nicht geeignet, der Klägerin ein grob fahrlässiges Verhalten anzulasten. Zum einen ist die Ursache des Brandes nicht abschließend geklärt, so dass problematisch ist, der Klägerin alternativ – d.h. je nach Schadensursache brennende Kerze ode...

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