Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärung über das Misserfolgsrisiko einer Operation; Voraussetzungen einer hypothetischen Einwilligung
Leitsatz (amtlich)
1. Über das Misserfolgsrisiko einer Operation ist selbst dann aufzuklären, wenn der konkrete Eingriff in diesem Krankenhaus noch nie misslungen ist. Die Aufklärung muss sich insb. auf die Gefahr erstrecken, dass die Operation sogar zu einer Verschlimmerung der Beschwerden führen kann (hier: Hüftgelenksoperation).
2. Eine hypothetische Einwilligung darf der Tatrichter grundsätzlich erst nach persönlicher Anhörung des Patienten annehmen.
3. War der ärztliche Eingriff trotz des Aufklärungsversäumnisses kraft hypothetischer Einwilligung rechtens, kann wegen des bloßen Aufklärungsmangels kein Teilschmerzensgeld zuerkannt werden (gegen OLG Jena MDR 1998, 536).
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 13.06.2003; Aktenzeichen 10 O 2/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 13.6.2003 wird auch insoweit zurückgewiesen als das Rechtsmittel sich gegen das beklagte Krankenhaus und den Beklagten Dr. R.H. richtet.
2. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die 1957 geborene Klägerin wurde am 21.7.1995 stationär in das beklagte Krankenhaus aufgenommen und dort am 22.7.1995 wegen einer anlagebedingten Fehlstellung des linken Hüftgelenks operiert. Das Aufklärungsgespräch vor der Operation führte der Beklagte Dr. R.H. Die Klägerin hat ihm und weiteren fünf Ärzten angelastet, die Korrektur des Hüftgelenks sei misslungen.
Das LG hat zur Frage, ob die Operation sachgemäß durchgeführt wurde und ob es bei der operativen Nachsorge zu Versäumnissen gekommen ist, Sachverständigenbeweis erhoben und die Klage hiernach abgewiesen.
Zur Rüge unzureichender Aufklärung hat das LG ausgeführt, wenn man eine Aufklärung über die Misserfolgsquote der Operation erwarte, sei jedenfalls von einer hypothetischen Einwilligung der Klägerin auszugehen, nachdem sie ein Jahr zuvor das rechte Hüftgelenk mit Erfolg habe operieren lassen.
Dagegen wendet sich die die Klägerin mit der Berufung. Sie rügt nur noch eine unvollständige und fehlerhafte Aufklärung, insb. über das Misserfolgsrisiko der Operation.
Der Senat hat daher die Berufung gegen die am Aufklärungsgespräch mit der Klägerin nicht beteiligten 5 Ärzte durch Beschluss nach § 522 ZPO zurückgewiesen.
Ihre Anträge auf materiellen und immateriellen Schadensersatz und Feststellung künftiger Ersatzpflicht (Blatt 281/282 GA) verfolgt die Klägerin gegen das beklagte Krankenhaus und den Beklagten Dr. R.H. als aufklärenden Arzt weiter.
Der Senat hat die Klägerin und den Beklagten Dr. R.H. angehört.
Wegen des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.3.2004 (Blatt 341-347 GA) verwiesen.
II. Die Berufung ist auch im noch anhängigen Umfang unbegründet. Der Klägerin steht gegen das beklagte Krankenhaus und den Beklagten Dr. R.H. als aufklärenden Arzt weder ein vertraglicher noch ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch zu.
Zwar ist von einer unzureichenden Aufklärung der Klägerin auszugehen (1.); die Annahme des LG, auch nach einer Information über die Misserfolgsquote hätte die Klägerin in den Eingriff eingewilligt, erweist sich jedoch im Ergebnis als zutreffend (2.). Das bloße Aufklärungsversäumnis rechtfertigt kein Schmerzensgeld (3.).
1.a) Das LG hat offen gelassen, ob über die Misserfolgsquote einer Operation aufgeklärt werden muss. Wäre eine derartige Aufklärung entbehrlich, käme eine Haftung der Beklagten wegen eines Aufklärungsmangels nicht in Betracht.
Nach Auffassung des Senats muss der Arzt den Patienten jedoch über das Risiko eines schlechten postoperativen Ergebnisses aufklären. Nur so ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten gewahrt, der die bestehenden Beschwerden angesichts des Risikos einer postoperativen Verschlimmerung möglicherweise nicht als derart belastend empfindet, dass er sich der Operation aussetzen will.
Allerdings ist über das Misserfolgsrisiko nicht unter Angabe konkreter Prozentzahlen aufzuklären. Zutreffend weisen die Beklagten nämlich darauf hin, dass die insoweit in medizinischen Fachpublikationen mitgeteilten Zahlen erheblich voneinander abweichen können und dass auch die Erfahrungen von Klinik zu Klinik nicht selten variieren. Der Senat hält es vor diesem Hintergrund für ausreichend, wenn dem Patienten mitgeteilt wird, dass die Operation trotz aller ärztlichen Kunst fehlschlagen kann mit dem Ergebnis, dass die Leiden, Ausfälle und Beschwerden sich nicht bessern oder gar verschlimmern. Derart informiert ist es dann Sache des Patienten, die statistische Wahrscheinlichkeit eines negativen Verlaufs weiter zu hinterfragen.
Die Beklagten meinen allerdings, Aufklärungsgrundlage könnten nur ihre eigenen Erfahrungen bis zum Zeitpunkt der Operation der Klägerin sein; diese Erfahrungen seien "zu 100 % positiv" gewesen (BE S. 6). Die vom gerichtliche...