Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundurteil über Feststellungsantrag; Zurückverweisung bei offenem Anspruchsgrund; Arzthaftung für folgenloses Aufklärungsversäumnis
Leitsatz (amtlich)
1. Über einen Feststellungsantrag darf nicht durch Grundurteil entschieden werden.
2. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO kommt auch dann in Betracht, wenn der Anspruchsgrund offen bleibt und ansonsten nicht auszuschließen ist, dass es in erster und zweiter Instanz zu einander widersprechenden Sachentscheidungen kommt.
3. Ein folgenlos gebliebenes ärztliches Aufklärungsversäumnis rechtfertigt kein Schmerzensgeld.
4. Der Widerklage eines Arztes auf Erstattung der Kosten eines Detektivs, der die klagende Patientin als Simulantin entlarvt haben soll, fehlt das Rechtsschutzinteresse. Es handelt sich um Prozesskosten, die im Verfahren nach §§ 103 ff ZPO festgesetzt werden können.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 27.02.2004; Aktenzeichen 10 O 216/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Grundurteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 27.2.2004 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG Koblenz zurückverwiesen.
III. Gerichtskosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erheben.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen den beklagten Arzt wegen einer am 1.3.2001 durchgeführten Bandscheibenoperation ein Schmerzensgeld nebst Zinsen geltend (Antrag 1). Daneben begehrt sie die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden aus dem Eingriff zu ersetzen (Antrag 2). Widerklagend begehrt der Beklagte die Kosten eines von ihm beauftragten Detektivs, der die Klägerin als Simulantin entlarvt haben soll.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe die erforderliche Aufklärung versäumt, die Operation sei misslungen.
Beides hat der Beklagte bestritten. Die Operation sei regelgerecht erfolgt. Der heutige Befund stehe nicht in Zusammenhang mit der Operation. Im Übrigen würden die von der Klägerin behaupteten Ausfälle und Beschwerden bestritten.
Das LG hat die Parteien angehört und hiernach beide Klageanträge dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der beweispflichtige Beklagte habe den Nachweis vollständiger und sachgemäßer Aufklärung nicht geführt. Der Eingriff sei daher rechtswidrig erfolgt.
Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er wiederholt, die Klägerin umfassend unsachgemäß aufgeklärt zu haben.
Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des LG.
II. Die zulässige Berufung hat einen vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur beantragten Zurückverweisung an das LG (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 und 7 ZPO). Dessen Verfahren leidet an Mängeln, die es dem Senat nicht ermöglichen, eine Prüfung der materiellen Anspruchsberechtigung der Klägerin vorzunehmen.
Die Voraussetzungen für ein Grundurteil (§ 304 ZPO) waren aus mehreren Gründen nicht gegeben:
1. Mit dem Klageantrag 2 begehrt die Klägerin die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für Zukunftsschäden. Der damit geltend gemachte Anspruch ist nicht "nach Grund und Betrag streitig" i.S.v. § 304 Abs. 1 ZPO. Daher ist anerkannt, dass über einen Feststellungsantrag nicht durch Grundurteil entschieden werden darf (vgl. BGH NJW 1953, 184; VersR 1975, 253 [254]).
Es kann auch nicht angenommen werden (§§ 133, 157 BGB), das LG habe dem Feststellungsbegehren umfassend stattgeben und demnach insoweit ein Teilendurteil erlassen. Dem stehen die eindeutige Bezeichnung der Entscheidung als "Grundurteil" und die Erwägung der Entscheidungsgründe entgegen, der Umfang der Haftung des Beklagten hänge von den zwischen den Parteien umstrittenen gesundheitlichen Folgen des Eingriffs ab. Der Sache nach handelt es sich bei dem Grundurteil zum Feststellungsantrag um ein Teilurteil, das lediglich ein Element des geltend gemachten einheitlichen Anspruchs erfasst und damit unzulässig ist. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Schlussentscheidung über den gesamten Anspruch dem Teilurteil widerspricht, wenn sich herausstellt, dass die von der Klägerin beanstandete Operation keinerlei nachteilige Folgen hatte.
2. Ein Grundurteil war auch hinsichtlich des bezifferten Zahlungsantrages unzulässig. Der Beklagte hat bestritten, dass die Operation vom 1.3.2001 Ursache der bei der Klägerin heute bestehenden Beschwerden ist. Dem musste das LG nachgehen und war sich dessen auch bewusst, wie der Inhalt des zugleich verkündeten Beweisbeschlusses belegt. Danach soll sachverständig geklärt werden, ob und ggf. welche nachteiligen Folgen die Operation hatte. Sofern diese Beweiserhebung das Vorbringen der Klägerin nicht bestätigt, ist die Klage abzuweisen. Daraus folgt zwingend, dass der Anspruchsgrund - anders als von § 304 ZPO vorausgesetzt - insgesamt nicht entscheidungsreif ist.
An der somit gebotenen Aufhebung und Zurückverweisung ist der Senat nicht deshalb gehindert, weil ...