Leitsatz (amtlich)

1. Auch eine Reparaturmaßnahme, für welche die Werkstatt nur 107,10 EUR in Rechnung stellt, kann zur Folge haben, dass die Werkstatt dem Fahrzeugeigentümer wegen fehlerhafter Ausführung der Reparaturmaßnahme auf Schadensersatz in Höhe von 257.000 EUR haftet (hier: ausgebrannter Lamborghini Murcielago Roadster E-Gear (F1)).

2. Spricht nahezu alles dafür, dass die Schadensursache für einen späteren Brandschaden in Gestalt einer Überfüllung des Ölvorratsbehälters aus der Spähre bzw. dem Obhuts- und Gefahrenbereich der tätig gewordenen Reparaturwerkstatt stammt, muss diese im Wege der "Beweislastumkehr" nachweisen, dass diese schadensverursachende Überfüllung des Ölvorratsbehälters nicht durch ihre Mitarbeiter verursacht worden ist; dieser Beweis kann als geführt angesehen werde, wenn der Nachweis gelingt, dass der Ölstand nach Abschluss der Arbeiten von den Mitarbeitern korrekt gemessen wurde und nicht zu viel Öl in den Ölvorratsbehälter eingefüllt war.

3. Eine ordnungsgemäße Messung des Ölstandes liegt nicht vor, wenn diese bei laufendem Motor ohne konkrete Prüfung der Öltemperatur erfolgt, obwohl nach den Betriebshinweisen der Herstellerin eine ordnungsgemäße Prüfung des Ölstandes einerseits ein Erreichen der Öltemperatur zwischen 70 Grad und 90 Grad (ordnungsgemäße Betriebstemperatur) voraussetzt und andererseits keinesfalls bei laufendem Motor erfolgen darf.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 15 O 130/14)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 09.08.2021, Aktenzeichen 15 O 130/14, wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahren einschließlich der Kosten der Streithilfe hat der Beklagte zu tragen.

III. Dieses Urteil und das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Koblenz sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger und/oder die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Am 09.08.2013 suchte der Kläger mit einem in seinem Eigentum stehenden Fahrzeug des Typs Lamborghini Murcielago Roadster E-Gear (F1) in Begleitung seines Sohnes, des Zeugen J. B., die von dem Beklagten in M. betriebene Autowerkstatt auf, um die Ölwanne des Lamborghini austauschen zu lassen. Zur Durchführung des Ölwannenwechsels wurde das in dem Fahrzeug befindliche Motoröl abgelassen und von den Mitarbeitern des Beklagten aufgefangen. Nach Durchführung des Ölwannenwechsels wurde dieses Öl wieder eingefüllt. Zusätzlich wurde von den Mitarbeitern des Beklagten neues Motorenöl über den Öleinfüllstutzen eingefüllt, das aus 2 von der Klägerseite mitgeführten Öldosen von jeweils einem Liter Inhalt stammte. Die Menge des zusätzlich eingefüllten neuen Motoröls ist zwischen den Parteien streitig. Ebenso ist zwischen den Parteien streitig, ob der Motor des Lamborghini nach der Montage der neuen Ölwanne und vor Verlassen der Werkstatt durch Laufenlassen auf Betriebstemperatur gebracht wurde und anschließend eine Kontrolle des Ölstandes durch die Mitarbeiter des Beklagten durchgeführt wurde.

Nach Abschluss der Arbeiten wurde der Lamborghini wieder in das 3,5 km entfernte L. Hotel am Nürburgring verbracht, wo er bis zum 22.09.2013 in einem Showroom stand. Als der Lamborghini am 22.09.2013 zurück zum Kläger nach A. gefahren werden sollte, brannte dieser auf der BAB 61 in Höhe der Ausfahrt Niederzissen vollständig aus. Da das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt mit einem roten Überführungskennzeichen bewegt wurde, erstattete die Streithelferin als Kaskoversicherer des Fahrzeugs dem Kläger "lediglich" den vereinbarten Höchstentschädigungsbetrag von 115.000 EUR abzüglich 153 EUR Selbstbeteiligung.

Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, zu dem Brand des Lamborghini sei es aufgrund einer von den Mitarbeitern des Beklagten verursachten Überfüllung des Ölvorratsbehälters gekommen. Die Mitarbeiter des Beklagten hätten nach Abschluss der Arbeiten 2 Liter zusätzliches Motoröl eingefüllt, ohne zuvor den Ölstand des Lamborghini gemessen zu haben. Eine Prüfung des Ölstandes sei zu keinem Zeitpunkt vorgenommen worden. Da sich der Ölstand bereits vorher auf maximal befunden habe, sei es durch die Zuführung weiteren Öls zu einer massiven Überfüllung des Ölvorratsbehälters gekommen.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 142.153 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.02.2014 zu zahlen sowie ihn von den vorgerichtlichen Anwaltskosten des Rechtsanwalts R. in Höhe von 150 EUR freizustellen und 2.593,42 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.02.2014 an die D. Rechtschutzversicherung AG, zu Leistungsnummer 00086... auf das Konto der U. bank IBAN DE ... 00 z...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?