Leitsatz (amtlich)

Die (in rückschauender Betrachtung) objektiv unrichtige Auskunft über Bauablauf und vor allem Beendigungszeitpunkt von Straßenbaumaßnahmen führt im Regelfall nicht zu einem Amtshaftungsanspruch des nachteilig betroffenen Anliegers (Hotelbetrieb).

Liegen Indizien für erst während der Bauarbeiten aufgetretene Komplikationen (Wetterlage, fehlerhafte Bestandspläne, Erweiterung der Arbeiten) vor, so findet trotz der gegebenen Auskunft keine Beweislastumkehr zu Gunsten des Anliegers statt. Dieser muss demnach die Pflichtwidrigkeit darlegen und ggfls. beweisen, d.h. dass nicht ordnungsgemäß geplant, koordiniert und überwacht wurde.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 29.10.2015; Aktenzeichen 1 O 122/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Koblenz vom 29.10.2015 (Az.: 1 O 122/15) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil sowie dieses sind vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v.H. des aufgrund der Urteile zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die in Bad N in der M. straße 14 ein Hotel betreibt, verlangt von der beklagten Stadt Schadensersatz wegen erheblicher Beeinträchtigung des Hotelbetriebes aufgrund von der Beklagten geplanter und koordinierter Straßenbauarbeiten in den Jahren 2012 und 2013.

Im Januar 2012 begannen die A. werke GmbH, ein Gemeinschaftsunternehmen der Beklagten und der Stadtwerke Sch, unter eigener Veranwortung ein Fernwärmenetz zu errichten. Das Abwasserwerk der Beklagten sowie die M GmbH als Versorgungsträgerin entschieden, dass zeitgleich mit dieser Maßnahme im Bereich der Mittelstraße die Regen- und Schmutzwasserkanäle sowie die Gas- und Wasserleitungen erneuert werden sollten. Dabei wurden auch die Kabel der Straßenbeleuchtung neu verlegt. Die Arbeiten in der M. straße begannen im März 2012 und fanden Ende September 2013 ihren Abschluss. Das Hotel der Klägerin war in diesem Zeitraum unterschiedlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt (Umwege und baustellbedingte Staus für die Zufahrt, Lärm und Schmutz, vereinzelte Unterbrechungen der Wasser-, Strom- und Gasversorgung).

Die Klägerin hat behauptet, dass die Art und Dauer der Baumaßnahmen für sie existenzbedrohend gewesen seien. Die Beklagte habe ihr durch den Zeugen H. im Sommer 2012 zugesichert, dass die Arbeiten im Oktober beendet sein würden. Aufgrund fehlerhafter Planungen und fehlerhafter Durchführung der Baumaßnahmen sei der Fertigstellungstermin um elf Monate verzögert worden. Sie habe erhebliche Einbußen erlitten, da sich aufgrund der baustellenbedingten Beeinträchtigungen die Anzahl der Übernachtungsgäste reduziert habe, Tagesgäste seien ausgeblieben und es seien erhebliche Mehrkosten beim Betrieb des Hotels entstanden.

Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 229.263 EUR nebst 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz liegende Zinsen hieraus seit dem 1.10.2014 nebst außergerichtilche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.979,30 EUR nebst 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz liegende Zinsen hieraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, dass alle Arbeiten planungs- und bedarfsgerecht ausgeführt worden seien. Eine zügigere Ausführung sei nicht realisierbar gewesen.

Das LG hat die Klage abgewiesen und entschieden, dass der Klägerin kein Schadensersatzanspruch oder Anspruch auf Entschädigung wegen einer Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG), aus enteignungsgleichem beziehungsweise enteignendem Eingriff, aus § 39 Abs. 3 LStrG Rheinland-Pfalz, aus einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog oder aus § 823 BGB zustehe.

Es hat offengelassen, ob vorliegend öffentlich-rechtliche oder bürgerlich-rechtliche Ansprüche in Betracht kommen. Zum einen stünden die Anspruchsarten nicht in Anspruchskonkurrenz, zum anderen sei zwar im Bereich des Straßenbaus dieser der schlichten hoheitlichen Aufgaben zugewiesen, die öffentliche Hand könne sich jedoch privater Firmen bedienen. Entscheidend sei, ob die Aufsicht über die Bauarbeiten und ihre konkrete Einflussnahme hierbei soweit gingen, dass sie die Arbeiten wie eigene gegen sich gelten lassen müsse (BGH, NJW 1979, 164). Die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruches lägen nicht vor. Ob die Klägerin hierbei eine falsche Auskunft erteilt habe (welches grundsätzlich zu einem Schadensersatzanspruch führen könne), könne offen bleiben, da es der Klägerin nicht gelungen sei, hinreichend vorzutragen. dass die zur Zeit der angeblichen Auskunftserteilung vorhandenen Gegebenheiten nicht die Aussage zuließen, die Arbeiten seien im Oktober 2012 abgeschlossen. Zwar stelle es nach den von der höchstrichterlichen Rech...

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