Leitsatz (amtlich)
1. Beim Verlangen auf Ersatz eines erst zukünftig befürchteten Schadens auf Grund einer nach der Klagebehauptung bereits eingetretenen Verletzung eines absoluten Rechtsguts erfordert das Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO des Weiteren zumindest die Möglichkeit des Schadensein-tritts. Der Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen, al-so insbesondere ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff in ein absolutes Rechtsgut gegeben ist, der zu den für die Zukunft befürchteten Schäden führen kann.
2. Das Einatmen eines potentiell krankmachenden Stoffes in erheblichem Umfang - hier: Freisetzen von Asbestfasern im Kellergeschoss eines Wohnhauses - stellt bereits dann eine Gesundheitsverletzung dar, wenn es noch nicht zum Krankheitsausbruch gekommen ist.
3. Die Vorschrift des § 366 Abs. 2 BGB findet auch auf rechtlich verbundene Forderungen verschiedener Gläubiger Anwendung, etwa im Falle des ge-meinschaftlichen Forderungseinzugs.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 366 Abs. 2; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 26.10.2010; Aktenzeichen 9 O 85/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des LG Koblenz vom 26.10.2010 teilweise - zu Ziff. 3., 6. des und 7. des Urteilstenors - abgeändert und insofern wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der den Klägern sowie I. K. dadurch entsteht, dass am 29.4.2006 im Keller des Hauses [...], auf Grund der Tätigkeit eines Mitarbeiters des Beklagten an einem Asbestzementabwasserrohr Asbestfasern freigesetzt wurden.
Auf die Widerklage wird der Kläger zu 1. verurteilt, an den Beklagten 819,34 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2010 zu zahlen sowie den Beklagten von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Rechtsanwalts B. i.H.v. 101,40 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits im zweiten Rechtszug trägt der Beklagte; die Streithelferin trägt ihre Kosten selbst. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug verbleibt es bei der Kostenentscheidung im angefochtenen Urteil.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 v.H. des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Die Kläger verfolgen aus je eigenem sowie aus abgetretenem Recht der Ehefrau des Klägers zu 1. und Mutter des Klägers zu 2. Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem im Zuge der Beseitigung eines Wasserschadens im Keller des Hauses [...] im April 2006 verursachten Freisetzung von Asbestfasern; der Beklagte verfolgt im Wege der Widerklage gegen den Kläger zu 1. die Zahlung der Vergütung aus dem entsprechenden Werkauftrag nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Es wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat nach Beweisaufnahme mit Urteil vom 26.10.2010 (Bl. 460 ff. GA) den Beklagten - unter Klageabweisung im Übrigen - verurteilt, an den Kläger zu 1. einen Betrag i.H.v. 1.172,66 EUR nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 155,30 EUR nebst Zinsen und an den Kläger zu 2. einen Betrag i.H.v. 15,13 EUR nebst Zinsen zu zahlen; es hat den Beklagten des Weiteren verpflichtet, den Klägern und der Ehefrau/Mutter sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden im Zusammenhang mit der Asbestfaserfreisetzung zu ersetzen; auf die Widerklage hat es den Kläger zu 1. - unter Abweisung im Übrigen - verurteilt, an den Beklagten einen Betrag i.H.v. 819,34 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der sich die Streithelferin angeschlossen hat.
Der Beklagte wendet sich bereits aus prozessualen Gründen gegen den Feststellungsausspruch zugunsten der Ehefrau des Klägers zu 1.; die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft seien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LG nicht dargelegt worden; höchst vorsorglich werde insofern zudem die Einrede der Verjährung erhoben. Auf Grund der erhobenen Beweise habe das LG keinesfalls mit dem nötigen Grad an Gewissheit die Feststellung treffen können, dass über den Kellerraum hinaus das gesamte Gebäude durch freigesetzte Asbestfasern kontaminiert worden sei und die Kläger sowie die Ehefrau/Mutter sodann tatsächlich Asbestfasern eingeatmet hätten. Es verblieben insofern durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der sachverständigen Untersuchungen und Ergebnisse (Luftaustausch; Eintrag über die Dacheindeckung; "Biofilm"; Oberflächenbeprobung am 31.8./1.9...