Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine schematische Fortsetzung der Thromboseprophylaxe bei Entlassung aus stationärer Krankenhausbehandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nur aufgrund einer wertenden Gesamtschau sämtlicher medizinischen Fakten des konkreten Behandlungsfalls kann entschieden werden, ob eine Thromboseprophylaxe nach der Entlassung aus der stationären Krankenhausbehandlung fortzusetzen ist.

2. Ein einzelner Blutwert (hier: Thrombzyten) muss dabei nicht zwingend richtungweisend sein, sofern der medizinisch anerkannte interventionspflichtige Grenzwert nicht überschritten ist und die weitgehende Mobilisierung des Patienten die Einschätzung des Arztes vertretbar erscheinen lässt, von einer weiteren Prophylaxe abzusehen.

 

Normenkette

BGB §§ 249, 253, 276, 278, 280, 611, 823; ZPO §§ 286, 411

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 19.03.2015; Aktenzeichen 1 O 5/14)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Koblenz vom 19.3.2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für alle künftigen materiellen und immateriellen Schäden aufgrund deren ärztlicher Behandlung.

Der Kläger befand sich ab 23.9.2010 wegen starker Unterleibsschmerzen in dem von der Beklagten zu 1) in M. betriebenen Krankenhaus in ärztlicher Behandlung. Am 9.11.2010 wurden zuvor diagnostizierte Divertikel operativ entfernt. Nach eingetretenen Komplikationen musste in einer weiteren Operation am 13.11.2010 ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. Am 24.11.2010 erfolgte eine Öffnung der Operationsnarbe, wobei sich herausstellte, dass Gewebewasser nicht abgelaufen war. Während des stationären Aufenthalts des Klägers wurden dessen Blutwerte erhoben. Im Zeitraum vom 18.11. bis 25.11.2010 stiegen diese kontinuierlich von 303 auf 839 an. Am 25.11.2010 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Bei der Entlassung des Klägers wurde mit diesem vereinbart, dass er sich einige Tage später noch einmal zur Kontrolle vorstellt.

Am 30.11.2010 wurde der Kläger wegen einer Thrombose sowie einer Lungenembolie auf die Intensivstation der Beklagten zu 1) eingeliefert.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die Operation vom 9.11.2010 sei nicht indiziert gewesen und nicht standardgerecht durchgeführt worden. Überdies habe es an einer ordnungsgemäßen Aufklärung über die Risiken des Eingriffs gefehlt. Im Zusammenhang mit dieser Behandlung sei es zudem zu einer Infektion gekommen, die bei einer ordnungsgemäßen Nachsorge hätte vermieden werden können. Zudem sei behandlungsfehlerhaft eine weitere Thrombosevorsorge unterlassen bzw. nicht sichergestellt worden. Bei weiterer Thrombosevorsorge hätte die später eingetretene Thrombose sowie die Lungenembolie vermieden werden können.

Hinsichtlich des Weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung vom 19.3.2015 Bezug genommen.

Das sachverständig beratene LG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Operation am 9.11.2010 sei nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. indiziert gewesen und fachgerecht durchgeführt worden. Auch die Nachsorge sei nicht zu beanstanden. Darüber hinaus könne den Beklagten keine unzureichende Thromboseprophylaxe vorgeworfen werden. Bei dem Kläger sei leitliniengerecht eine medikamentöse Prophylaxe bis zum Entlassungstag erfolgt. Ein dispositionelles Risiko für eine darüber hinausgehende medikamentöse Thromboseprophylaxe habe nicht bestanden. Der vom Kläger angeführte Thrombozytenwert sei für die Einschätzung des Risikos einer Thrombose bedeutungslos. Allenfalls bei einem Wert der Thrombozyten über 1.000 wäre die Gabe eines Thrombozytenaggregationshemmers angezeigt gewesen. Ein solcher Wert habe indes nicht vorgelegen. Zudem bestehe kein Zusammenhang zwischen den erhöhten Thrombozytenwerten und der beim Kläger aufgetretenen Thrombose. Unter Anknüpfung an die Aussage des Zeugen T. hat die Kammer zudem darauf verwiesen, dass von einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Klägers auszugehen sei. Hinsichtlich der weiteren Begründung wird auf die angefochtene Entscheidung vom 19.3.2015 Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Mit dieser beanstandet er ausschließlich die Verursachung der Thrombose sowie der Lungenembolie durch eine unzureichende Thromboseprophylaxe. Zwar habe der Sachverständige lediglich ab einem Thrombozytenwert von 1.000 die Gabe eines Thrombozyten- aggregationshemmers für erforderlich gehalten. Die Ausführungen des Sachverständigen vernachlässigten indes, dass der Thrombozytenwert beim Kläger von 303 am 18.11.2010 auf 839 am 25.11.2010, dem Entlassungstag, angestiegen sei. Dem Beklagten hätte zum Entlassungstag des Klägers klar sein müssen, dass bereits am nächsten Tage nach der Entlassung der vom Guta...

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