Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Darlegung eines psychischen Schadens Dritter im Arzthaftungsprozess; Zulässigkeit eines Teilurteils
Leitsatz (amtlich)
1. An die Darlegung eines psychischen Schadens naher Angehöriger eines Patienten, der durch ärztliche Versäumnisse zu Tode gekommen ist, dürfen nur maßvolle Anforderungen gestellt werden (hier: Sohn behauptet eine posttraumatische Belastungsstörung, weil er die in krankheitsbedingter Todesangst ausgesprochenen Hilfsbitten des Vaters ignoriert und stattdessen den ärztlichen Beteuerungen vertraut hat, dem Patienten fehle nichts).
2. Macht ein Angehöriger des verstorbenen Patienten im Arzthaftungsprozess neben ererbten auch eigene Ansprüche geltend, ist ein Teilurteil über den eigenen Anspruch nicht statthaft, wenn es dadurch im weiteren Prozessverlauf zu einander widersprechenden Entscheidungen kommen kann.
Normenkette
BGB §§ 249, 823, 847; ZPO §§ 253, 286, 301
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 03.12.2004; Aktenzeichen 10 O 103/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers zu 1) wird das Teilurteil der 10. Zivilkammer des LG Koblenz vom 3.12.2004 aufgehoben und die Sache, auch zur Entscheidung über die gerichtlichen Auslagen und die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
Gerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger zu 1) (künftig: Der Kläger) sowie die am Berufungsverfahren nicht beteiligte Klägerin zu 2) machen ererbte Ansprüche nach dem am 16.9.2001 verstorbenen Philipp H. geltend. Sie behaupten, die Ärzte des Krankenhauses, deren Trägerin die Beklagte ist, hätten den Erblasser nicht ordnungsgemäß behandelt.
Der Kläger macht aus diesem Sachverhalt zusätzlich Ansprüche aus eigenem Recht geltend mit der Begründung, er habe infolge des Todes seines Vaters eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten.
Mit dem angefochtenen Teilurteil hat das LG die Klage insoweit abgewiesen, als eigene Ansprüche des Klägers geltend gemacht wurden. Es sei nicht hinreichend dargetan, inwieweit den behaupteten Störungen Krankheitswert beizumessen sei. Zeitgleich hat das LG einen Beweisbeschluss erlassen betreffend das behauptete ärztliche Fehlverhalten.
Gegen das Teilurteil wendet sich der Kläger mit den Anträgen,
1. unter Abänderung des angefochtenen Teilurteils an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, soweit dieser Antrag durch Teilurteil abgewiesen worden ist
sowie
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die im Zusammenhang mit dem Todesfall des am 18.9.2001 verstorbenen Herrn Philipp H. stehen, zu ersetzen, soweit dieser Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist;
hilfsweise gem. § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung hat einen vorläufigen Erfolg, sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung (§ 538 Abs. 2 S. 2 Nr. 7 ZPO).
Das Urteil des LG kann keinen Bestand haben, weil es sich um ein Teilurteil handelt, das § 301 Abs. 1 ZPO widerspricht. Zwar gestattet diese Vorschrift den Erlass von Teilurteilen, wenn von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen nur einer oder nur eine begrenzte Zahl zur Entscheidung reif sind. Dabei ist jedoch stets darauf zu achten, dass ein Widerspruch zwischen dem Teilurteil und der noch ausstehenden, zukünftigen gerichtlichen Entscheidung von vorneherein ausgeschlossen ist. Ein Teilurteil ist schon dann unzulässig, wenn die bloße Möglichkeit besteht, dass es in demselben Rechtsstreit, auch im Instanzenzug, zu einander widersprechenden Entscheidungen kommen kann (BGH v. 25.11.2003 - VI ZR 8/03, GesR 2004, 132 = BGHReport 2004, 626 = MDR 2004, 589 = NJW 2004, 1452; OLG Koblenz v. 5.6.2003 - 5 U 219/03, OLGReport Koblenz 2003, 389 = MDR 2003, 1373 = NJW-RR 2003, 1722).
Das LG hat die Klage aus eigenem Recht abgewiesen, weil der Kläger "nicht hinreichend substantiiert dargetan habe, inwieweit dem von ihm behaupteten posttraumatischen Belastungssyndrom Krankheitswert beizumessen sei".
Die Berufung greift diese Begründung mit beachtlichen Erwägungen an. Würde der Senat ihrem Vorbringen folgen, so müsste er nicht nur über das Vorliegen der psychischen Beeinträchtigung, sondern auch über das behauptete ärztliche Fehlverhalten Beweis erheben. Denn eigene Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers können denkgesetzlich nur gegeben sein, wenn der Haftungstatbestand einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung bejaht wird, über den das LG bereits eine Beweiserhebung angeordnet hat. Damit besteht die Gefahr, dass in diesem Verfahren in unterschiedlichen Instanzen einander widersprechende Entscheidungen ergehen, ohne dass dem etwa durch eine Aussetzung des Verfahrens vorg...