Entscheidungsstichwort (Thema)
Diagnosefehler bei Darmerkrankung eines Kindes
Leitsatz (amtlich)
1. Klagt ein 9-jähriges Kind über diffuse Magenbeschwerden, führt eine unvollständige und verzögerte Befunderhebung und -deutung nur dann zur Haftung des Arztes, wenn der Patient nachweist, dass die von ihm vermissten Maßnahmen alsbald zur richtigen Diagnose und einem günstigeren Behandlungsverlauf und -ergebnis geführt hätten.
2. Anders ist die Beweislastverteilung nur bei groben Befunderhebungs- oder Diagnosefehlern (hier verneint).
Normenkette
BGB §§ 276, 823, 847
Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 24.11.2004; Aktenzeichen 4 O 116/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Trier vom 24.11.2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, der am 11.11.1989 geboren wurde, stellte sich am Abend des 9.7.1998 und dann erneut am frühen Morgen des 10.7.1998 wegen Bauchschmerzen in der Ambulanz des von dem Beklagten getragenen Krankenhauses vor. Da die Beschwerden fortdauerten, wurde er noch am 10.7.1998 abends stationär in der Pädiatrie aufgenommen. Dies geschah nach einer Überweisung des Hausarztes, der eine akute Gastroenteritis diagnostiziert und gleichzeitig die Möglichkeit einer Begleitappendizitis erwogen hatte.
Der Befund einer Gastroenteritis deckte sich mit den Vermutungen der Ambulanzärzte. Im Zuge der stationären Untersuchung des Klägers, zu der eine am 12.7.1998 durchgeführte Nieren- und Abdominalsonographie, fortlaufende Blutanalysen sowie Palpationen gehörten, sah man ihn bestätigt. Mit der Begründung rückläufiger Entzündungszeichen entließ man den Kläger am 14.7.1998.
Am 16.7.1998 wies der Hausarzt den Kläger erneut in das Krankenhaus des Beklagten ein, weil sich die abdominellen Beschwerden verschlimmert hätten. Eine am Folgetag durchgeführte Sonographie vermittelte dort den Verdacht auf einen perityphlitischen Abszess. Daraufhin wurde nach einer Verlegung des Klägers aus der pädiatrischen in die kinderchirurgische Abteilung operiert. Man fand eine Eiteransammlung in der Bauchhöhle vor und entfernte den in seinem hinteren Drittel perforierten Appendix. Nachdem der Kläger, der zwischenzeitlich erheblich an Gewicht verloren hatte, am 27.7.1998 mit dem Hinweis aus dem Krankenhaus entlassen worden war, sich bei Schmerzen wieder zu melden, da dann die Möglichkeit eines Darmverschlusses bestehe, erschien er am 1. und 2.8.1998 erneut. Er klagte über dünnflüssigen Stuhl. Im Krankenhaus diagnostizierte man wiederum eine Gastroenteritis und vermutete nach einer Laboruntersuchung eine Salmonelleninfektion.
Am 2.9.1998 fand eine weitere Konsultation statt. Der Kläger hatte erbrochen und litt - nach dem bestrittenen Vortrag des Beklagten - auch unter Bauchschmerzen. Man stellte eine Obstipationstendenz fest, der man mit einem Einlauf begegnete. Außerdem wies man eine Giardiasis nach.
Als die Beschwerden nicht nachließen, wurde der Kläger am 10.9.1998 in einem anderen Krankenhaus aufgenommen und dort tags darauf operiert. Bei der Operation traten Verwachsungen und Verklebungen des Dünndarms zutage.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommen, dessen Größenordnung er mit 15.000 DM angegeben hat. Dabei hat er sich darauf gestützt, dass er in dessen Krankenhaus fehlerhaft behandelt worden sei. Die von vornherein bestehende Appendizitis habe man vom 9.7.1998 an fortlaufend schuldhaft verkannt. So habe es in der Nacht vom 11. auf den 12.7.1998 zur Perforation kommen können. Selbst diese habe man irrig nicht bemerkt und sei stattdessen von einer Besserung bis zum 14.7.1998 ausgegangen. Auch bei der stationären Wiederaufnahme am 16.7.1998 habe man nicht sachgerecht gehandelt.
Die Entlassung am 27.7.1998 sei zu früh erfolgt. Es habe eine Peritonitis gegeben, der man nicht entgegen gewirkt habe. Dadurch sei der spätere Darmverschluss begünstigt worden. Außerdem habe man keine Abhilfe ggü. einer nur mehr eingeschränkten Fähigkeit zur Nährstoffaufnahme geschaffen. Diese Einschränkung sei entstanden, weil man am 17.7.1998 den Blinddarm völlig resiziert habe und bei der deshalb notwendigen Rekonstitution ein Teil des Dünndarms habe wegfallen müssen. Darüber hinaus sei am 2.9.1998 ein vorwerfbar falscher Befund erhoben und der in der Entwicklung befindliche Ileus übersehen worden. Auf die insoweit drohende generelle Gefahr habe man nicht ausreichend hingewiesen.
Schließlich hat der Kläger den Beklagten für das Auftreten der Salmonelleninfektion und der Giardiasis verantwortlich gemacht. Überdies hat er ihm einen Befall mit Staphylokokken angelastet.
Das LG hat die Klage nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, das zweimal ergänzt worden ist, abgewiesen. Es hat gemeint, dass man auf Beklagtenseite zunächst von einer Gastroenteritis habe ausgehen dürfen. Als sich dann eine Appendiziti...