Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung des titulierten Krankheitsunterhalts
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Krankheitsunterhalt ist nicht als „gesetzlicher Regelfall” zu befristen. Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist die Befristung als gesetzliche Ausnahme nur bei Unbilligkeit eines weitergehenden Unterhaltsanspruchs begründet.
2. Bei der hier anzustellenden Billigkeitsabwägung hat das Gericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei das Gesetz mit der Ehedauer, der Gestaltung der Haushaltsführung und der Kindererziehung nicht abschließende Kriterien zur Verfügung stellt, die für die Bemessung der nachehelichen Solidarität heranzuziehen sind.
Normenkette
BGB §§ 1572, 1578b Abs. 2; EGZPO § 36 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Koblenz (Beschluss vom 10.08.2010; Aktenzeichen 191 F 95/10) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Koblenz vom 10.8.2010 teilweise abgeändert.
Das Anerkenntnisurteil des AG - Familiengerichts -Koblenz vom 17.4.1984 wird dahin abgeändert, dass der Antragsteller ab dem 8.3.2010 keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu zahlen hat.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.085 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Abänderung eines Vergleichs über nachehelichen Unterhalt.
Die am 13.4.1973 geschlossene Ehe der beteiligten Eheleute wurde am 19.8.1982 geschieden (AG Koblenz 20 F 79/82). Im Zusammenhang mit der Scheidung verpflichtete sich der Antragsteller durch gerichtlichen Vergleich vom 28.9.2004, an die Antragsgegnerin einen monatlichen nachehelichen Ehegattenunterhalt i.H.v. 441 DM zu zahlen. Durch Anerkenntnisurteil vom 17.4.1984 (AG Koblenz 20 F 228/83) wurde der Vergleich dahingehend modifiziert, dass lediglich noch ein Unterhalt von insgesamt 339,85 DM zu zahlen sei. Die Antragsgegnerin war bereits vor der Ehe psychisch erkrankt. Seit 1983 ist sie im ... [Z]-Haus in ... [Y],... [X] untergebracht. Sie steht unter Betreuung. Bereits zum Zeitpunkt der Scheidung erhielt sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente und erhält sie heute noch, zzt. rund 741, 00 EUR, die insgesamt für die Kosten der Heimunterbringung verwandt werden. Die restlichen Kosten trägt die Sozialbehörde, an die der Antragsteller seit 1999 monatlich (umgerechnet) 220,64 EUR zahlt.
Mit seinem Antrag begehrt der Antragsteller die Abänderung des Vergleichs ab Rechtshängigkeit (8.3.2010) dahin, dass er keinen nachehelichen Unterhalt mehr zu zahlen habe. Er begründet dies im Wesentlichen damit, er sei ab März 2009 Rentner und deshalb nicht mehr leistungsfähig. Er habe im Übrigen aber über sehr lange Zeit Unterhalt geleistet; dieser sei nunmehr zu befristen, zumal die Antragsgegnerin keine ehebedingten Nachteile erlitten habe.
Die Antragsgegnerin beruft sich auf den ihr zukommenden Vertrauensschutz.
Durch den angefochtenen Beschluss änderte das AG das Anerkenntnisurteil dahin ab, dass der Antragsteller ab 8.3.2010 nur noch 140 EUR zu zahlen habe (den unter Berücksichtigung des eheangemessenen Selbstbehalts von 1.000 EUR dem Antragsteller bei einer Rente von rund 1.140 EUR noch verbleibenden Betrag).
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er nach wie vor den völligen Wegfall seiner Unterhaltsverpflichtung ab 8.3.2010 erreichen möchte.
II.1. Der Abänderungsantrag ist nach § 239 FamFG zulässig. Dies folgt allein schon daraus, dass das Anerkenntnisurteil aus dem Jahre 1984 datiert und inzwischen die Unterhaltsreform in Kraft getreten ist, die erstmals eine Befristungsmöglichkeit auch für den Krankheitsunterhalt vorsieht.
2. Der Antrag ist auch begründet. Der Ehegattenunterhalt ist antragsgemäß zu befristen.
a. Nach § 1578b Abs. 2 Satz 1 BGB ist der Unterhaltsanspruch zeitlich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch grob unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus den nach § 1578b Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechend heranzuziehenden Gesichtspunkten für die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs auf den angemessenen Lebensbedarf nach § 1578b Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB. Danach ist bei der Billigkeitsabwägung für eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche ehebedingten Nachteile hat die Antragsgegnerin nicht erlitten; ihre Erkrankung bestand unstreitig bereits vor der Ehe. Selbst wenn sie aber erst während der Ehe zum Ausbruch gekommen wäre, wäre dies ein schicksalhaftes Geschehen, das seine Ursache nicht in der Ehe hat. Das wäre aber Voraussetzung, um einen ehebedingten Nachteil anzunehmen (vgl. etwa BGH FamRZ 2010, 1414).
b. Das heißt allerdings nicht, dass Krankheitsunterhalt als sozusagen "gesetzlicher Regelfall" (vgl. BGH FamRZ 2009, 1207) zu befristen wäre. Auch wenn keine ehebedingt...