Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 06.03.2012; Aktenzeichen 4 HK O 89/11) |
BGH (Aktenzeichen I ZR 8/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Koblenz vom 6.3.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Kläger durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 50.000 EUR und die Vollstreckung durch die Nebeninterventientin durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in der jeweils gleichen Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger sind als Fachanwälte für Sozialrecht tätig. Die Beklagte leistet Rechtsschutz für Gewerkschaftsmitglieder auf bestimmten Rechtsgebieten und hat in ihrem Internetauftritt und in einem Newsletter mit der Bezeichnung "... [A] Rechtsschutz: Größte Deutsche Fachkanzlei" und "Größte Deutsche Fachkanzlei" geworben. Wegen der Einzelheiten wird auf das Anlagenkonvolut K1 (Bl. 9 bis 14 d.A.). Bezug genommen.
Die Beklagte beschäftigt sog. Rechtssekretärinnen und Rechtssekretäre, von denen ein großer Teil über die Befähigung zum Richteramt verfügt.
Die Kläger verlangen von der Beklagten Unterlassung der beanstandeten Werbung und die Freistellung von vorgerichtlichen Abmahnkosten.
Die Kläger und die Nebeninterventientin sind der Auffassung, die beanstandete Werbung richte sich an alle Verbraucher und verstoße gegen § 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und gegen § 5 UWG. Der Verbraucher verbinde mit dem Begriff "Größte Deutsche Fachkanzlei" die größte Rechtsanwaltskanzlei in Deutschland, bei der Fachanwälte beschäftigt seien und gehe außerdem davon aus, dass diese Kanzlei Rechtsdienstleistungen für jedermann auf allen Rechtsgebieten anbiete. Der mit dieser Werbung verbundenen Irreführung des Verbrauchers fehle entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die rechtliche Relevanz, weil sie, die Kläger, neue Mandate in erheblichem Umfang über das Internet generierten.
Die Kläger und die Nebeninterventientin haben beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel des § 890 Abs. 1 ZPO es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, mit/unter der Bezeichnung
1.1. "... [A] Rechtsschutz: Größte deutsche Fachkanzlei"
und/oder
1.2. "Größte Deutsche Fachkanzlei"
und/oder
1.3. Die "Größte Fachkanzlei Deutschlands"
aufzutreten; insbesondere wenn dies so geschieht, wie aus dem Anlagenkonvolut K1 ersichtlich wird.
2. die Beklagte zu verurteilen, sie freizustellen von der Forderung der Rechtsanwälte ... [B] auf Zahlung der vorgerichtlichen Kosten i.H.v. netto 911,80 EUR.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Werbung sei nicht irreführend, weil die vorgelegten Unterlagen nicht auf die jeweiligen Überschriften reduziert werden dürften. Der Umfang ihrer Tätigkeit ergebe sich aus dem jeweiligen Text der Werbung. Die Beschränkung dieses Tätigkeitsfelds auf die Vertretung von Gewerkschaftsmitgliedern sei allgemein bekannt. Zudem wende sich der Newsletter vor allem an Gewerkschaftsmitglieder.
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Werbung wende sich an alle Verbraucher und sei irreführend. Nach heutigem Sprachverständnis verbinde ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise den Begriff "Fachkanzlei" mit einer Rechtsanwaltskanzlei, in der sich Berufsträger mit einer besonderen Qualifikation zusammen geschlossen hätten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Diese behaupten, der Begriff "Kanzlei" bestimme das Verständnis der Verbraucher und bezeichne lediglich ein Büro, eine Dienststelle oder eine Schreibstube. Außerdem werde ihr Tätigkeitsfeld in der beanstandeten Werbung hinreichend beschrieben. Es fehle es an der geschäftlichen Relevanz der Werbung, denn sie, die Beklagte, erhalte nur in sehr seltenen Fällen Anfragen von Personen, die nicht Gewerkschaftsmitglieder seien. Jedenfalls sei die erforderliche Irreführungsquote nicht erfüllt. Gewerkschaftsmitglieder müssten sich an ihre eigene Gewerkschaft mit der Bitte um Gewährung von Rechtsschutz wenden. Sie, die Beklagte, erhalte dann den Auftrag unmittelbar von der jeweiligen Gewerkschaft.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Kläger und die Nebenintervenientin beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, die angesprochenen Verbraucher würden durch die schlagwortartige Anpreisung dazu veranlasst, sich näher mit dem Angebot der Beklagten zu befassen. Zudem könnten die angesprochenen Verbraucher durch die Werbung verleitet werden, Gewerkschaftsmitglied zu werden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen...