Leitsatz (amtlich)

Überholt ein Pferd im Galopp auf einem Abreiteplatz ein im Schritt sich fortbewegendes Pferd, schlägt dieses aus und verletzt hierdurch die vorbei reitende Reiterin, so muss sich die Geschädigte die Tiergefahr ihres eigenen Pferdes zurechnen lassen. Im Regelfall wird es zu einer Haftungsteilung kommen.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 02.03.2015; Aktenzeichen 15 O 466/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 2.3.2015 verkündete Grundurteil des LG Koblenz abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Klage auf materiellen Schadensersatz und auf Schmerzensgeld ist unter Berücksichtigung eines Mitverursachungsanteil von 50 % dem Grunde nach gerechtfertigt.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 50 % der weiteren materiellen Schäden aus dem Unfall vom 19.5.2011 anlässlich des Reit- und Springturniers in N zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

3. Die Klage auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten ist dem Grunde nach unter Berücksichtigung des 50 %-igen Mitverursachungsanteils gerechtfertigt.

4. Die Kostenentscheidung erster Instanz bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 14.170,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten aus Tierhalterhaftung geltend. Sie erlitt am 19.5.2011 gegen 16.15 Uhr auf dem Reit- und Springturnier in N einen Reitunfall, bei dem sie durch den Tritt des Pferdes Na, dessen Halter der Beklagte ist, verletzt wurde.

Die Klägerin ritt zur Vorbereitung auf die anstehende Springprüfung mit ihrem Pferd Lu auf dem Abreiteplatz für Springprüfungen. Dies diente dem notwendigen Aufwärmen des Tieres vor dem Turnier. Nach den allgemeinen Gepflogenheiten im Reitsport darf der äußere Weg innerhalb des umgrenzten Reitplatzes nicht im Schritt beritten werden, sondern ist den Gangarten Trab und Galopp vorbehalten. Pferde, die im Schritt geritten werden, müssen sich auf den inneren Bahnen, Spuren (zweiter und dritter Hufschlag) fortbewegen, um die schneller Reitenden nicht zu behindern.

Die Klägerin ritt mit ihrem Pferd Lu im Galopp auf dem dritten Hufschlag (innerer Weg). Die Zeugin D ritt das Pferd Na im Schritt auf dem ersten Hufschlag (äußerer Weg).

Als die Klägerin an dem Pferd Na vorbeireiten wollte, erschrak dieses und schlug nach hinten aus, wobei die Klägerin am Bauch, an der rechten Hand, am rechten Oberarm und am rechten Unterarm getroffen wurde. Sie erlitt nicht unerhebliche Verletzungen und musste auch operiert werden.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Das Pferd Na habe bereits zuvor schon mehrfach ausgeschlagen und habe daher auf dem Abreiteplatz gar nicht bewegt werden dürfen. Sie habe beim Vorbeireiten einen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten.

Sie hat beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 10.342,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.1.2014 zu zahlen;

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.1.2014 zu zahlen;

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen Schäden aus dem Unfall vom 19.5.2011 anlässlich des Reit- und Springturniers in N zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind;

4. den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 1.493,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.1.2014 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat sich vor allem darauf berufen, dass die Klägerin keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten habe und sie ein Mitverschulden treffe. Sein Pferd habe eine große, gut sichtbare rote Schleife im Schweif getragen.

Das LG hat in der Sitzung vom 2.3.2015 das nunmehr angefochtene "Grundurteil" erlassen und dies im Wesentlichen mit der Tierhalterhaftung nach § 833 BGB begründet. Es hat auch mit eingehender Begründung ein Mitverschulden der Klägerin an dem Entstehen des Unfalls verneint.

Hiergegen richtet sich die (eingeschränkte) Berufung des Beklagten, der unter Intensivierung seines bisherigen Vorbringens und vor allem Herausstellung des Mitverursachungsanteils der Klägerin an dem Unfall wie folgt beantragt:

Das am 2.3.2015 verkündete Grundurteil teilweise abzuändern und wie folgt neu zu fassen:

1. Die Klage ist dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin von 50 % gerechtfertigt.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Klägerin beantragt, die Berufung wird zurückgewiesen.

Sie begründet dies unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen vor allem damit, dass sie einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu dem Pferd des Beklagten eingehalten habe und dieses sich üb...

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