Entscheidungsstichwort (Thema)
Übertragung der elterlichen Sorge bei Umzug eines Elternteils mit den Kindern ins Ausland
Leitsatz (amtlich)
1. Beabsichtigt der das Sorgerecht beantragende Elternteil ins Ausland umzusiedeln, so steht dem Elternrecht des anderen Elternteils auf möglichst freien Umgang mit seinem Kind aus Art. 6 GG das Recht des antragstellenden Elternteils auf örtlich freizügige Lebensgestaltung und Freizügigkeit aus Art. 2 GG gegenüber. Die Grundrechte beider Elternteile sind zu einem Ausgleich zu bringen.
2. Beantragt ein Elternteil die alleinige elterliche Sorge, um zusammen mit dem gemeinsamen Kind in einen anderen Staat (hier: Italien) überzusiedeln, und wird infolgedessen das Umgangsrecht des anderen Elternteils beeinträchtigt, ist es erforderlich, dass für den Wegzug triftige Gründe bestehen, die schwerer wiegen als das Umgangsinteresse von Kind und anderem Elternteil. Diese fehlen, wenn der Umzugsplan nicht einer ernsthaften und wohlbegründeten Planung des künftigen Lebens des umzugswilligen Elternteils entspringt, gefestigte soziale Bindungen in dem anderen Staat fehlen und vorrangiges Ziel einer Übersiedlung in das Ausland ist, den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu vereiteln.
3. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter mit dem Ziel der Übersiedlung mit dem gemeinsamen Kind in ihre italienische Heimat entspricht nicht dem Kindeswohl, wenn das Umgangsrecht des Vaters aufgrund des bisherigen Verhaltens der Mutter bei einem Umzug nach Italien als sicher ausgeschlossen anzusehen ist.
Normenkette
BGB § 1671; GG Art. 2, 6
Verfahrensgang
AG Mainz (Beschluss vom 05.02.2010; Aktenzeichen 31 F 337/08) |
Tenor
Die befristete Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Mainz vom 5.2.2010 wird zurückgewiesen.
Gerichtsgebühren werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten werden der Antragstellerin auferlegt.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Das Kind, geboren am 8.9.2003, ist das eheliche Kind der Parteien. Die Parteien besitzen beide die italienische Staatsangehörigkeit. Sie haben am 7.6.2002 geheiratet und leben seit Dezember 2007 getrennt. Mit Urteil des AG Mainz vom 31.3.2008 wurde die Trennung der Ehe nach italienischem Recht ausgesprochen (31 F 26/08).
Das Kind lebt bei der Kindesmutter. Nach der Trennung fand zunächst einvernehmlich ein häufiger Umgang zwischen dem Kind und dem Antragsgegner statt. Im weiteren Verlauf kam es vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner sowie zwischen dem Antragsgegner und den Eltern der Antragstellerin, die in der Nähe der Antragstellerin wohnen und bei der sich die Antragstellerin mit dem Kind oft aufhält. Der Umgang gestaltete sich schwierig. Das Kind zeigte zunehmend Widerstand, den Antragsgegner zu sehen.
Die Antragstellerin leitete im September 2008 ein Gewaltschutzverfahren gegen den Antragsgegner ein. Auf ihren Antrag hat das AG Mainz mit Beschluss vom 6.10.2008 im Wege der einstweiligen Verfügung ein Betretungs-, Näherungs- und Kontaktaufnahmeverbot gegen den Antragsgegner erlassen (83 C 444/08).
In dem Verfahren zur Regelung des Umgangs vor dem AG Mainz haben die Parteien gleichwohl am 20.10.2008 eine Umgangsvereinbarung getroffen, wonach der Antragsgegner zweiwöchentlich jeweils samstags und sonntags in der Zeit von jeweils 11.00 Uhr bis 18.00 Uhr Umgang mit dem Kind haben sollte (31 F 292/08). Der Umgang wurde wie vereinbart praktiziert.
Die Antragstellerin begehrt die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sich.
Sie hat dies zunächst in erster Linie damit begründet, dass es seit Dezember 2007 zu Auseinandersetzungen, Gewalttätigkeiten und Beleidigungen durch den Antragsgegner gekommen sei. Diese hätten sich sowohl gegen sie als auch gegen ihre Eltern gerichtet. Infolgedessen habe das Kind Angst vor dem Antragsgegner und verweigere den Kontakt zu ihm.
Im Anschluss an die Anhörung der Parteien durch das AG am 5.5.2009 haben die Parteien unter Vermittlung des Jugendamtes Beratungsgespräche geführt. Die Parteien unternahmen einen Versöhnungsversuch. Ihre Kommunikation untereinander verbesserte sich und es kam wieder zu regelmäßigen Umgangskontakten des Kindes mit dem Antragsgegner, die problemlos verliefen.
In den Sommerferien 2009 verbrachte die Antragstellerin einige Wochen mit Kind in Italien. Nach ihrer Rückkehr weigerte sich das Kind erneut, den Vater zu sehen. Seit Oktober 2009 ist es zu keinem Umgangskontakt mehr gekommen.
Die Antragstellerin beabsichtigt, mit dem Kind nach Italien, in die Provinz S., zu ziehen. Sie habe dort einen neuen Lebensgefährten, mit dem sie zusammen leben wolle. Das Kind solle im Sommer 2010 in der ortsansässigen Grundschule eingeschult werden und sei bereits angemeldet. Sie habe mit dem Kind mehrfach ihren Lebensgefährten besucht. Das Kind habe den Wunsch, mit ihr nach Italien zu ziehen. Sie, die Antragstellerin, sehe für sich in Deutschlan...