Leitsatz
Gegenstand des Sorgerechtsverfahrens war die Frage, welche Kriterien bei der Sorgerechtsübertragung zu berücksichtigen sind, wenn ein Elternteil beabsichtigt, mit den gemeinsamen Kindern ins Ausland umzuziehen und hierdurch das Umgangsrecht des anderen Elternteils erheblich gefährdet wird bzw. als sicher ausgeschlossen anzusehen ist.
Sachverhalt
Aus der am 7.6.2002 geschlossenen Ehe zweier italienischer Staatsangehöriger war ein am 8.9.2003 geborenes Kind hervorgegangen. Die Eltern lebten seit Dezember 2007 getrennt. Das Kind lebte bei der Kindesmutter. Nach der Trennung fand zunächst einvernehmlich ein häufiger Umgang zwischen Kind und Vater statt. Im weiteren Verlauf kam es vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Der Umgang gestaltete sich schwierig. Das Kind zeigte zunehmend Widerstand, den Vater zu sehen.
Die Antragstellerin leitete im September 2008 ein Gewaltschutzverfahren gegen den Antragsgegner ein. Auf ihren Antrag hat das AG im Wege der einstweiligen Verfügung ein Betretungs-, Näherungs- und Kontaktaufnahmeverbot gegen den Antragsgegner erlassen.
In dem Verfahren zur Regelung des Umgangs haben die Parteien gleichwohl am 20.10.2008 eine Umgangsvereinbarung getroffen.
Die Mutter, die mit dem Kind nach Italien ziehen wollte, beantragte die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich.
Das AG hat diesen Antrag zurückgewiesen, weil - wie die Umgangsvereinbarung zeige - noch immer eine ausreichende Gesprächsgrundlage bestehe, die es erlaube, die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam auszuüben.
Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie weiterhin die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge und hilfsweise die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich beantragte.
Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Das OLG stellte zunächst fest, dass durch den beabsichtigten Wegzug der Kindesmutter mit dem Kind die persönlichen Beziehungen zum verbleibenden Elternteil beeinträchtigt würden. Dem Elterrecht des einen Elternteils auf möglichst freien Umgang mit dem Kind aus Art. 6 GG stehe das Recht des anderen Elternteils auf örtlich freizügige Lebensgestaltung und Freizügigkeit aus Art. 2 GG gegenüber.
Der Sorgerechtsinhaber müsse daher für seinen Wegzug triftige Gründe haben, die schwerer wiegen müssten als das Umgangsinteresse von Kind und anderem Elternteil (so auch OLG Zweibrücken NJW-RR 2004, 1588; OLG Köln NJW-RR 2006, 1588; OLG München FamRZ 2008, 1774; OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 435; OLG München FamRZ 2009, 1600; KG FamRZ 2010, 135).
Derartige Gründe habe die Kindesmutter nicht dargelegt. Das OLG habe nicht die Überzeugung gewinnen können, das ihr Umzugsplan einer ernsthaften und wohlbegründeten Planung ihres künftigen Lebens entspringe. Die Antragstellerin habe vielmehr den Eindruck erweckt, dass vorrangiges Ziel einer Übersiedlung nach Italien sei, den Umgang des Kindes mit dem Vater zu vereiteln.
Es sei davon auszugehen, dass ein regelmäßiger Umgang nach einem Umzug der Mutter mit dem Kind nach Italien nicht gesichert sei. Es sei vielmehr zu erwarten, dass es zu keinerlei Umgang mehr kommen werde.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Urteil vom 04.05.2010, 11 UF 149/10