Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Störereigenschaft des Eigentümers bei fehlender Einwirkungsmöglichkeit; Terrassenabstand bei fehlender Sicht zum Nachbargrundstück
Leitsatz (amtlich)
1. Die formale Eigentümerstellung macht den Immobilienverkäufer nicht zum Handlungs- oder Zustandsstörer, wenn die Beeinträchtigung vom Erwerber verursacht ist und nach den vertraglichen Absprachen keinerlei Einwirkungsmöglichkeit des derzeitigen Eigentümers mehr besteht.
2. Ob es sich bei einer Freifläche im Grenzbereich um eine Terrasse i.S.v. § 34 Abs. 4 NachbarG RP handelt, hängt nicht von der konkreten Zweckbestimmung ab. Maßgeblich ist die Eignung zum Aufenthalt von Menschen.
3. Die Vorschrift zum Grenzabstand einer Terrasse ist jedoch nicht anzuwenden, wenn deren Nutzung keinen relevanten Blickkontakt zum Nachbargrundstück ermöglicht.
Normenkette
BGB §§ 242, 433, 823 Abs. 2, § 1004; NachbarG RP § 34 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Aufhebung des Urteils der 1. Zivilkammer des LG Mainz vom 2.8.2005 abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6; die zweitinstanzlichen Kosten fallen dem Kläger zu 7/8 und der Beklagten zu 1/8 zur Last.
Ausgenommen von dem vorstehenden Kostenausspruch sind die Kosten der Nebenintervention. Diese Kosten treffen den Kläger in erster Instanz zu 5/6 und in zweiter Instanz zu 7/8; im Übrigen hat dafür der Streithelfer der Beklagten selbst aufzukommen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger gehört einer aus drei Personen bestehenden Wohnungseigentümergemeinschaft an, deren Hausgrundstück im Süden an ein Gelände angrenzt, auf dem die Beklagte ein Gebäude mit fünf Eigentumswohnungen errichtet hat. Das Gebäude wahrt einen Grenzabstand von zwischen 3,27 m und 3,71 m. In dieser Grenzfläche hat die Beklagte am Gebäude entlang einen Betonstreifen gezogen. Er befindet sich auf Kellerdeckenhöhe und liegt damit um 1 m bis 2 m unter dem klägerischen Grundstück. Um den Niveauunterschied auszugleichen, hatte die Beklagte durchgängig in Stufenform Pflanzsteine gesetzt, die in ihrer ersten Stufe einen Wandabstand von 0,75 m hielten und so von dort an den breiteren Betonstreifen überlagerten.
Die Pflanzsteine sind später im westlichen Teil der Grundstücksgrenze entfernt worden. Dadurch ist dort an dem von der Beklagten erstellten Gebäude eine größere Freifläche entstanden. Die Veränderung ist auf Veranlassung der Käuferin der Erdgeschosswohnung erfolgt; diese Wohnung steht freilich mangels einer Grundbuchumschreibung derzeit noch immer im Eigentum der Beklagten.
Die Parteien streiten darüber, inwieweit das klägerische Grundstück von der Freifläche und dem zu ihr führenden Betonstreifen aus einsehbar ist. Nach dem Vorbringen des Klägers erstreckt sich die Sicht grundsätzlich bis hin zur Wand des eigenen Hauses, die eine etwas größere Grenzentfernung als das von der Beklagten errichtete Gebäude hat und fensterlos ist, und ist dann jenseits dieser Wand an der Ostseite der Grenze - wenn auch hier durch einen Schuppen behindert - in den Garten eröffnet. Derzeit ist sie allerdings von der Freifläche aus versperrt, weil dort Schutzwände aufgestellt worden sind.
Nach der Auffassung des Klägers ist das von der Beklagten bebaute Nachbargrundstück im Grenzbereich als Terrasse i.S.v. § 34 NachbarG RP ausgestaltet. Er hat deshalb, gestützt auf eigene Rechte und Abtretungserklärungen der beiden anderen Wohnungseigentümer auf seiner Seite, beantragt, "die Terrasse ... einschließlich des betonierten Unterbaus... abzutragen, so dass der... vorgeschriebene Abstand von der Grundstücksgrenze von 2,5 m eingehalten wird". Das anfänglich begleitende Klageverlangen, die Beklagte zur Kürzung des Balkons im ersten Stock des von ihr errichteten Gebäudes um 0,5m auf eben diesen Abstand zu verurteilen, hat er unter deren Zustimmung für erledigt erklärt, weil im Verlauf des Prozesses ein entsprechender Rückbau erfolgt ist.
Darüber hinaus hat der Kläger, ebenfalls auf der Grundlage von Abtretungserklärungen der beiden anderen Wohnungseigentümer, die Beklagte auf Zahlung von 284,17 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Er hat behauptet, dass zwei auf dem eigenen Grundstück stehende Pflanzen im Zuge von Arbeiten an einer Grenzmauer, die die Beklagte beauftragt habe, vernichtet worden seien und deshalb ein entsprechender Schaden eingetreten sei.
Das LG hat die Klageansprüche zuerkannt und, weil es zudem den für erledigt erklärten Antrag für ursprünglich begründet erachtet hat, der Beklagten die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Es hat gemeint, dass sich zum klägerischen Grundstück hin auf der gesamten Länge des von der Beklagten gebauten Hauses eine Terrasse i.S.v. § 34 NachbarG RP hinziehe, die durchgängig verschmälert werden müsse. Das zu tun, sei Sache der Beklagten, weil sie als Eigentümerin Zustandsstörerin sei. Außerdem müss...