Entscheidungsstichwort (Thema)
Miete: unterschiedliche Vertragsexemplare - hier: Aufrechnungsverbot; keine Mietminderung bei zweckwidriger Verwendung eines Vorschusses zur Mangelbeseitigung, Wiederaufleben der Mieterrechte nach Rückgewähr des Vorschusses
Leitsatz (amtlich)
1. Ist das Aufrechnungsverbot eines Formularmietvertrages im Exemplar des Mieters teilweise gestrichen, kann es für die Beweiswürdigung, welches der beiden Schriftstücke authentisch ist, darauf ankommen, wie der Vermieter andere Verträge gestaltet hat, die dasselbe Objekt betreffen und ob die teilweise Streichung des Aufrechnungsverbots im Vertragsformular des Mieters der Sache nach sinnlos ist (hier: Manipulation durch den Mieter bejaht).
2. Ein Versäumnisurteil, das den Vermieter zur Mangelbeseitigung verpflichtet, hat hinsichtlich der gerügten Mängel dieselbe Rechtskraftwirkung wie ein streitiges Urteil. Etwaige Lücken oder Unklarheiten des Tenors des Versäumnisurteils sind aufgrund des zugrunde liegenden Klagevorbringens zu klären.
3. Hat der Mieter einen Kostenvorschuss zur Mangelbeseitigung erlangt (§ 887 Abs. 2 ZPO), muss er damit alsbald für Abhilfe sorgen. Versäumt er dies, ist die Miete nach Verstreichen der angemessenen Abhilfefrist nicht mehr gemindert. Muss der Mieter den Vorschuss wegen seiner Säumigkeit dem Vermieter zurückerstatten, lebt das Recht zur Mietminderung hiernach wieder auf.
4. Die Rechtsprechung zu den Mieterrechten bei Schimmelbefall von Wohnräumen ist nicht auf Verkaufsräume eines Ladenlokals übertragbar, sofern keine konkrete Beeinträchtigung oder Gefährdung der Geschäftstätigkeit und/oder der Gesundheit von Personal oder Kunden aufgezeigt wird.
Normenkette
BGB §§ 126-127, 133, 157, 242, 249, 280, 387, 536, 536a; ZPO §§ 286, 313b, 322, 419, 887
Verfahrensgang
LG Mainz (Aktenzeichen 1 O 355/04) |
Tenor
1. Die Berufungen werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens fallen 27,96 % dem Kläger und 72,04 % dem Beklagten zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Kläger und Beklagter dürfen die Vollstreckung der Gegenseite abwenden durch Leistung einer Sicherheit von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages, sofern nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.1. Der klagende Vermieter nimmt den Beklagten, seinen ehemaligen Mieter, aus einem 1983 geschlossenen Vertrag, von dem es 2 Fassungen gibt, auf Zahlung von Restmiete in Anspruch. Wegen Mängeln des Gewerbeobjekts minderte der Beklagte über Jahre die Miete. Außerdem hat er bereits in erster Instanz mit einer Gegenforderung aufgerechnet, die er daraus ableitet, dass ihm zwischen 2000 und 2005 erhebliche Kosten für die Beseitigung von Mängeln der Mietsache entstanden seien.
2. Das LG hat Sachverständigen- und Zeugenbeweis erhoben und dem Kläger hiernach unter Abweisung der weiter greifenden Klage 168.697,30 EUR rest-lichen Mietzins zuerkannt. Wegen Mängeln, die Gegenstand eines rechtskräftig durch Versäumnisurteil abgeschlossenen Vorprozesses (1 O 33/02 LG Mainz) waren, dürfe der Beklagte die Bruttomonatsmiete von zunächst 5.951,74 EUR und ab 1.1.2007 (Mehrwertsteuererhöhung) 6.105,66 EUR um 30 % mindern, allerdings nicht für den überwiegenden Teil der Zeitspanne, in der er über einen vom Kläger gem. § 887 Abs. 2 ZPO gezahlten Kostenvorschuss von 40.903,35 EUR zur Mangelbeseitigung verfügt habe. Diesen Vorschuss nutzte der Beklagte nicht zur Beseitigung der Mängel, weshalb er einen Teilbetrag von 40.000 EUR letztendlich an den Kläger zurückerstatten musste. Das LG hat gemeint, für den überwiegenden Teil der Zeitspanne, in dem die 40.000 EUR dem Beklagten zur Verfügung standen, dürfe er die Miete nicht mindern, weil er versäumt habe, das Geld zweckentsprechend zu verwenden. Erst mit der Rückerstattung an den Kläger sei die Minderungsbefugnis wieder aufgelebt. Die Aufrechnung des Beklagten mit angeblichen Mangelbeseitigungskosten greife nicht, weil der Mietvertrag Derartiges nur für unstreitige oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen vorsehe. Soweit der Aufrechnungsausschluss im Vertragsexemplar des Beklagten gestrichen sei, begegne das Bedenken. Authentisch sei die vom Kläger in Kopie vorgelegte Urkunde, in der das Aufrechnungsverbot nicht gestrichen ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ebenso Bezug genommen wie auf die Entscheidung des LG.
II.1. Dessen Urteil wird von beiden Parteien mit der Berufung angegriffen.
Während der Kläger nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 11.2.2013 die Verurteilung des Beklagten zu einer Restmiete von insgesamt 233.885,79 EUR nebst Zinsen beantragt (vgl. im Einzelnen Bl. 918/919 GA), erstrebt der Beklagte mit seiner Berufung die Abweisung der Klage (vgl. Bl. 865 GA).
Der Kläger meint, zur Minderung der Miete sei der Beklagte nicht befugt gewesen.
Demgegenüber vertritt der Beklagte die Ansicht, die Monatsmiete sei wegen Mängeln de...