Leitsatz (amtlich)
1. Die Bade-, Schwimmbadaufsicht ist nicht verpflichtet, ständig alle, jeden Schwimmer im Auge zu halten.
2. Besteht der vorgeworfene Pflichtenverstoß in der zu späten Bergung, Rettung des untergetauchten Kindes, so muss der Kläger darlegen und beweisen, dass bei früherer Rettung die tatsächlich eingetretenen Schäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise verhindert worden wären.
3. Die in Arzthaftungsverfahren eingreifenden Beweiserleichterungen für den Patienten greifen in Amtshaftungsverfahren für den Geschädigten nicht ein. Es gelten die auch sonst einschlägigen Beweislastregeln.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 26.06.2014; Aktenzeichen 1 O 2/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 26.6.2014 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Koblenz wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Badeunfall geltend. Die Beklagte zu 3) ist Betreiberin des Naturschwimmbades "L" in H. Die Beklagten zu 1) und 2) sind Angestellte der Beklagten zu 3), die in dem bezeichneten Naturschwimmbad als Badeaufsicht eingesetzt werden. Bei dem Schwimmbad "Linderhohl" handelt es sich um einen künstlich angelegten, jedoch naturnah gestalteten Badesee. Dieser ist in zwei Becken (Nichtschwimmerbecken, Hauptbecken) aufgeteilt. Das Hauptbecken weist eine Gesamtgröße von etwa 1.410 qm auf. Es beinhaltet einen etwa 9 m breiten und 16 m langen Schwimmerbereich. In diesem Schwimmerbereich beträgt die Wassertiefe mehrere Meter. Im übrigen Bereich des Hauptbeckens bewegt sich die Wassertiefe kontinuierlich abnehmend zwischen 2,30 m und 0,60 m.
An der westlichen Seite des Schwimmerbereichs im Hauptbecken befindet sich ein Sprungfelsen mit einem sich anschließenden Sprungbereich. Dieser Sprungbereich weist eine Tiefe von 3,40 m auf und ist vom übrigen Schwimmerbereich mittels orangener Bojen abgegrenzt. Diese sind jeweils einzeln an einer auf dem Beckengrund befindlichen Verankerung in einem Abstand von 2,50 bis 3,00 m mittels Seilen befestigt. Diese Bojen sind nicht miteinander verbunden. Die Befestigungsseile waren zum Unfallzeitpunkt flexibel.
Am Samstag, dem 9.7.2010 besuchte die damals 12-jährige Klägerin zusammen mit ihren Eltern sowie ihrer damals 15-jährigen Schwester das oben beschriebene Naturfreibad. Sie hielt sich zunächst zusammen mit ihrer Schwester und einer Freundin im Schwimmerbereich des Hauptbeckens auf. Nachdem die Schwester der Klägerin und ihre Freundin den Schwimmerbereich verlassen hatten, um sich zu dem Sprungfelsen zu begeben, verfing sich die Klägerin aus ungeklärten Umständen in der Befestigungsschnur der hinteren linken Boje. Die Boje wurde hierdurch nach unten gezogen.
Die Badeaufsicht am Unfalltag oblag der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2). Darüberhinaus war ein weiterer Bademeistergehilfe zugegen.
Nachdem die Beklagten zu 1), die sich auf einem Steg im Bereich des Sprungfelsens aufhielt, auf die abgesenkte Boje aufmerksam geworden war, bat sie einen ihr bekannten, sich gerade in ihrer Nähe aufhaltenden Jugendlichen, nach der Boje zu schauen. Im Anschluss begab sich dann der Beklagte zu 2) selbst in das Wasser und überprüfte die Boje. Dabei stellte er fest, dass die Klägerin sich offenbar unter Wasser in dem Befestigungsseil verfangen hatte. Er befreite die Klägerin und verbrachte sie an Land, wo sie reanimiert wurde.
Die Klägerin erlitt massive, irreparable Hirnschädigungen, so dass sie schwerstbehindert ist und zeit ihres Lebens pflegebedürftig bleiben wird. Sie wurde über Monate hinweg stationär und ambulant behandelt und lebt aufgrund ihrer Behinderungen nunmehr in einem Pflegeheim.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Befestigung der Bojen sei pflichtwidrig gewesen. Durch die flexiblen Seile sei eine große Gefahr für die Schwimmer, damit auch für sie, geschaffen worden. Die Beklagte zu 3) habe damit die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.
Die Beklagten zu 1) und 2) hätten auch zu langsam reagiert. Durch die Einschaltung des Jugendlichen sei wertvolle Zeit vergangen, so dass sie zu spät gerettet worden sei. Dieses pflichtwidrige Verzögern einer effektiven Rettung habe zu ihren irreparablen Schäden geführt.
Weiterhin sei die Wasseraufsicht fehlerhaft organisiert gewesen. Insbesondere sei nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt worden.
Auch sei die Aufsicht nicht ordnungsgemäß erfolgt, da der Beklagte zu 1) ihr "Verschwinden" von der Wasseroberfläche nicht rechtzeitig aufgefallen sei.
Wegen der Vielzahl von Fehlern und Mängeln müsse zu ihren Gunsten eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der nachzuweisenden Kausa...