Leitsatz (amtlich)
1. Bei Geltendmachung von Ansprüchen aus einer privaten Unfallversicherung hat der Versicherungsnehmer zum versicherten Unfallgeschehen zeitlich und öfrtlich konkret vorzutragen.
2. Der prozessualen Beachtlichkeit des Vortrages zum versicherten Unfallgeschehen steht nicht in jedem Fall entgegen, dass der Versicherungsnehmer auch Vermutungen und Rückschlüsse zum Geschehensablauf vorträgt. Das gilt insbesondere, wenn die Infalidität auf den Folgeerscheinungen einer Neuroborrelioseinfektion durch Zeckenbiss beruhen soll. In diesem Fall genügt der Vortrag konkreter Anhaltspunkte zu Zeitpunkt und Umständen eines Zeckenbisses und zu seiner Ursächlichkeit für die Infektion und für die behauptete Invalidität.
3. Auf die Verspätung der Frist zur Vorlage der ärztlichen Feststellung der Invalidität kann sich der Unfallversicherer nur erufen, wenn er den Versicherungsnehmer gemäß § 186 Abs. 1 VVG auf diese Frist hingewiesen hat. Selbst nach einer solchen Belehrung ist es dem Versicherer verwehrt, sich auf die Fristversäumnis zu berufen, wenn er dem Versicherungsnehmer - etwa durch eine Ankündigung, ein Sachverständigengutachten einzuholen - Anlass gegeben hat, davon auszugehen, dass die Frist für ihn nicht mehr laufe.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 15.07.2015; Aktenzeichen 16 O 256/14) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 16. Zivilkammer des LG Koblenz vom 15.07.2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Koblenz zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem LG vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten darum, ob die Ehefrau des Klägers am 16.05.2011 einen Zeckenbiss erlitten hat; ob infolge dessen sich eine Borrelioseinfektion entwickelte, und ob diese wiederum bei der Betroffenen zu einer Invalidität im Sinne der Unfallversicherung geführt hat.
Der Kläger unterhält bei der Beklagten unter der Versicherungsscheinnummer 5.../261 eine Unfallversicherung unter Mitversicherung seiner Ehefrau, Frau ... [A]. Unter Ziffer 5.2.4 der dort vereinbarten Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen in der Fassung ... [B] AUB 2008 sind grundsätzlich Infektionen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Gemäß Ziffer 5.2.4.2 besteht jedoch dann Versicherungsschutz, wenn die Infektionen durch Zeckenbiss verursacht wurden.
Unter Ziffer 2.1.1.1 der o.g. Versicherungsbedingungen ist bestimmt, dass die Invalidität einer versicherten Person innerhalb eines Jahre nach dem Unfall eingetreten und innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und vom Versicherungsnehmer beim Versicherer schriftlich geltend gemacht worden sein muss.
Am 15.06.2011 ist die Ehefrau des Klägers wegen rasch progredienter Lähmungserscheinungen einhergehend mit starken, vom Lendenwirbelbereich ausgehenden Schmerzen notfallmäßig ins...[C]krankenhaus eingeliefert worden. Dort zeigten sich eine Hypästhesie ab dem rechten Rippenbogen abwärts, eine Kribbelparästhesie des ventralen Oberschenkels rechts sowie Paresen am rechten Bein mit Kraftverlust bei Fußsenkung, Fußhebung, Großzehenhebung und Hüftbeugung. Im weiteren Verlauf wurde die Diagnose "thorakale Myelopathie im Segment BWK 6/7 mit imkompletten Brown-Sequard-Syndrom rechts bei Verdacht auf Borreliose" gestellt. In der Folgezeit unterzog sich die Ehefrau des Klägers nach einer etwa zweiwöchigen stationären Behandlung im...[C]krankenhaus noch einer Anschlussheilbehandlung. Es trat eine Besserung ihres Gesundheitszustandes ein, jedoch verblieben Dauerfolgen, deren Umfang im Einzelnen zwischen den Parteien streitig ist.
Am 11.08.2011 meldete der Kläger den Versicherungsfall per Email bei der Beklagten, am 19.08.2011 füllte er den ihm übersandten Unfallbericht aus. Mit Schreiben vom 09.09.2011 (Bl. 169f d. GA) belehrte die Beklagte den Kläger über den Lauf der Fristen nach Ziffer 2.1.1.1 AUB, insbesondere darüber, dass die Invalidität eines Versicherten vor Ablauf von 15 Monaten ärztlich festgestellt werden müsse. Mit Schreiben vom 18.01.2012 (K 7, Bl. 229 GA) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ein Sachverständigengutachten wegen der Frage der Invalidität seiner Ehefrau einholen werde. Mit Schreiben vom 03.08.2012 lehnte die Beklagte ihre Eintrittspflicht ab (Anlage B 6, Bl. 194 GA).
Der Kläger hat vorgetragen, seine Ehefrau habe sich am 16.05.2011 für längere Zeit zum Walken im Wald aufgehalten und sei von einer Zecke gebissen worden. Dies sei in einer Umgebung und zu einer Jahreszeit mit typischerweise erhöhten Zeckenvorkommen geschehen. Am Abend dieses Tages habe seine Frau einen Juckreiz rechts unterhalb des Schulterblattes verspürt, welchen sie sich damals nicht habe erklären können. Anfang Juni 2011 hätten sich bei ihr für eine Borrelioseinfektion typische klinische Symptome in Gestalt von Mattigkeit, subfebrilen Temperaturen um 38 Grad Celsius, sowie Schmerzen in Nacken und Kopf eingestellt, weswegen sie auch de...