Entscheidungsstichwort (Thema)
Verantwortlichkeit eines 10-Jährigen für einen Fahrradunfall
Normenkette
BGB § 276 Abs. 1, § 823 Abs. 1, § 828 Abs. 3; StVO § 2 Abs. 1, 4 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 19.04.2004; Aktenzeichen 5 O 316/03) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 19.4.2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Koblenz wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den am 19.4.1992 geborenen Beklagten auf Ersatz materieller Schäden und Schmerzensgeld aus einem Fahrradunfall in Anspruch, der sich am 11.9.2002 in Koblenz ereignet hat. Darüber hinaus begehrt sie Feststellung, dass der Beklagte ihr zum Ersatz künftig entstehender, aus dem Schadensereignis resultierender materieller und immaterieller Schäden verpflichtet ist.
Am Unfalltag befuhr die Klägerin mit ihrem Fahrrad die K.-Anlage in Richtung O. Der Beklagte wollte mit seinem Fahrrad von der L.-straße aus kommend zur K.-Anlage fahren und benutzte hierzu den linken der beiden parallel verlaufenden Gehwege. Im Einmündungsbereich kollidierten beide Fahrräder, worauf die Klägerin stürzte und sich eine Oberarmkopf-Mehrfragmentluxationsfraktur rechts sowie eine Hüft- und Beckenprellung rechts zuzog.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 1.147,96 EUR nebst Zinsen sowie von Schmerzensgeld i.H.v. 3.000 EUR verurteilt und dem Feststellungsbegehren stattgegeben; i.H.v. 1.165,30 EUR hat es die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass der Beklagte der Klägerin gem. §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2, 291 BGB, 256 ZPO hafte, da er den streitgegenständlichen Gehweg entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung schuldhaft verkehrswidrig genutzt und mit zu hoher Geschwindigkeit in die K.-Anlage eingefahren sei. Nur der vom Beklagten nicht benutzte, aus seiner Sicht rechts gelegene Gehweg sei durch ein Zusatzschild für den Radverkehr bergabwärts freigegeben gewesen. Gründe, nach denen die Deliktsfähigkeit des Beklagten als ausgeschlossen erachtet werden könnte, seien nicht vorhanden. Der Klägerin falle kein Mitverschulden zur Last, da sie den Unfall angesichts der ihr zur Verfügung stehenden Reaktionszeit nicht hätte vermeiden können. Der Beklagte hafte der Klägerin daher auf vollen Schadensersatz.
Abzüge habe sich die Klägerin hinsichtlich der Arzneimittelkosten und dem geltend gemachten Haushaltsführungsschaden gefallen zu lassen. Ansprüche wegen der geltend gemachten höheren Kosten der Mahlzeiten des Ehemanns und der Zuzahlung für den Krankenhausaufenthalt stünden der Klägerin nicht zu. Angesichts der erlittenen Verletzungen, der Behandlungsdauer und des erlittenen Dauerschadens sei ein Schmerzensgeld i.H.v. 3.000 EUR angemessen. Im Hinblick auf den erlittenen Dauerschaden sei auch dem Feststellungsantrag stattzugeben.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er vertritt die Ansicht, dass er den aus seiner Sicht linken Weg habe benutzen dürfen, da er zum Unfallzeitpunkt neun Jahre alt gewesen und der Weg im Übrigen auch nicht als Gehweg ausgestaltet sei. Jedenfalls könne ihm angesichts der nicht unkomplizierten Verkehrssituation und Rechtslage keine Sorgfaltspflichtverletzung zur Last gelegt werden.
Der Beklagte beantragt, das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Koblenz (5 O 316/03) vom 19.4.2004 abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das LG der Klage im tenorierten Umfang stattgegeben.
Durch die Benutzung des linken der beiden von der L.-straße zur K.-Anlage führenden Wege hat der Beklagte gegen § 2 Abs. 1 und 4 StVO verstoßen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten sind beide Wege als Gehwege äußerlich erkennbar, da sie die Verlängerung der rechts und links der L.-straße befindlichen, durch Bordsteine optisch abgegrenzten Gehwege bilden. Aufgrund der in der Mitte der L.-straße befindlichen Hecken und Parkbuchen sowie aufgrund der sich vom rechten Gehweg fortsetzenden, im weiteren Verlauf als Beeteinfassung dienenden Bordsteinkante ist klar ersichtlich, dass die Fahrbahnen der L.-straße hier enden und ein den Fußgängern vorbehaltener Bereich beginnt. Dies bekräftigt auch das zu Beginn des rechten Weges aufgestellte Zeichen 239 (Fußgänger).
Aus diesem Schild und dem darunter angebrachten Zusatzschild "Fahrräder frei" folgt für die Verkehrsteilnehmer zweifelsfrei, dass nur der rechte Gehweg für Radfahrer freigegeben ist.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihm die Benutzung des Gehweges nach § 2 Abs. 5 S. 1 StVO gestattet gewesen wäre, da er nach Mitteilung seines Prozessbevollmächtigten...