Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Beamter nach einem durch einen Dritten (Schädiger) verursachten Dienstunfall (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) in den Ruhestand versetzt, so ist im nachfolgenden Regressverfahren des Dienstherrn gegen den Schädiger (Ersatz für Dienstbezüge, Ruhegehalt etc.) das zur Entscheidung berufene Gericht in gewissem Umfang an die vorangegangenen Entscheidungen der Verwaltungen gebunden.
2. Der bestandskräftige Bescheid über die Zurruhesetzung bindet das Zivilgericht hinsichtlich dieser konstitutiven Entscheidung. Gleiches gilt, wenn das Vorliegen eines Dienstunfalls bestandskräftig festgestellt wurde.
3. Keine Bindung besteht hingegen hinsichtlich des Einwandes eines Mitverschuldens des geschädigten Beamten sowie der Frage, ob und ggfls. in welchem Umfang der Schädiger adäquat kausal durch seine Handlungen eine bis zur Zurruhesetzung durchgängig andauernde Dienstunfähigkeit verursacht hat. Somit ist in diesen Fällen stets zu prüfen, ob diese Dienstunfähigkeit und die Zurruhesetzung auf dem Verhalten des Schädigers beruht oder andere Ursachen hat.
4. Erfolgte die Zurruhesetzung aus anderen Gründen als der Dienstunfähigkeit oder wurde diese nicht oder nicht ordnungsgemäß ärztlich festgestellt, so kann der Schädiger gegenüber dem Regressverlangen den Willküreinwand (§ 242 BGB) erheben.
Verfahrensgang
LG Trier (Aktenzeichen 11 O 162/15) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin sowie die Anschlussberufung des Beklagten gegen das am 04. Juni 2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des Landgerichts Trier werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 89,7 % und der Beklagte 10,3 %.
3. Dieses sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die jeweiligen Schuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des aus den Urteilen vollstreckbaren Betrages abwenden sofern nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin verfolgt in dem vorliegenden Rechtsstreit Regressansprüche als Dienstherrin des durch einen Dienstunfall am 02. August 2010 geschädigten Beamten des Ordnungsamtes G.
An diesem Tag kam es gegen 22:00 Uhr mit dem zu diesem Zeitpunkt alkoholisierten Beklagten zu einer Auseinandersetzung, nachdem dieser öffentlich uriniert hatte. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung fiel der als Ordnungsbeamte eingesetzte G nach hinten auf den Boden; die Details der Auseinandersetzung sind zwischen den Parteien streitig. Der Beklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts B vom 19.01.2011 wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Der medizinisch behandelte Beamte war in der Zeit vom 03.08.2010 bis zum 31.03.2012 krankheitsbedingt nicht im Dienst; die Klägerin hat in diesem Zeitraum Bezüge in Höhe von 65.915,68 EUR an den Beamten G gezahlt. Mit Wirkung zum 01.04.2012 wurde der Beamte in den Ruhestand versetzt (Bescheid vom 1.3.2012, Bl. 16 Anlagenheft); die Bezüge wurden ab diesem Zeitpunkt von der Rheinischen Versorgungskasse (RVK) übernommen. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts T vom 30.09.2014 wurde dem Beamten G unter Abänderung des Bescheides vom 12. März 2013 ab dem 01. April 2012 ein erhöhtes Unfallruhegehalt nach § 37 Beamtenversorgungsgesetz gewährt, da nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts der Beamte aufgrund des vorbeschriebenen Dienstunfalls dauernd dienstunfähig und bei Versetzung in den Ruhestand infolge des Dienstunfalls in der Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 % von 100 beschränkt war.
Die Klägerin hat vorgetragen,
der Beklagte habe den eingesetzten Ordnungsbeamten G auch geschlagen; dieser habe sowohl körperliche als auch psychische Folgeschäden erlitten, die zur Dienstunfähigkeit in dem Zeitraum 03.08.2010 bis zum 31.03.2012 sowie auch zu der Versetzung in den Ruhestand geführt hätten. Sie begehre daher Ersatz des vollen Bruttogehalts von dem Beklagten. Weiterhin habe der Beklagte Ersatz der Aufwendungen für medizinische Behandlungen zu leisten, die anderweitig nicht ersetzt worden seien.
Die Klägerin hat beantragt,
1. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 65.915,28 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.12.2014 zu zahlen.
2. Den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.085,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.06.2015 freizustellen.
3. Festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, sämtliche über die mit der Klage vom 15.06.2015 bereits bezifferten Anspräche hinausgehenden Aufwendungen der Klägerin zu ersetzen, die diese infolge des Vorfalls vom 02.08.2010 auf der S Kirmes in M, bei dem G durch den Beklagten verletzt worden ist, aufgrund des Beamtenverhältnisses zwischen ihr und Herrn G bereits er...