Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstrickung ohne Pfandrecht wegen Abtretung der Zwangsvollstreckungsforderung; Reichweite der Aufrechnung des Drittschuldners mit einer gegen den Zedenten gerichteten Gegenforderung
Leitsatz (amtlich)
1. Erwirkt der ehemalige Gläubiger trotz Abtretung seiner Forderung einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen einen Drittschuldner, bewirkt das eine Verstrickung ohne Pfändungspfandrecht. Tritt der Scheingläubiger sodann sein Recht aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (Beschlagnahme) an den wahren Gläubiger ab, entsteht damit zu dessen Gunsten auch das Pfändungspfandrecht.
2. Rechnet der aus dem Pfandrecht in Anspruch genommene Drittschuldner mit einer gegen den Zedenten gerichteten Gegenforderung auf, kann das in entsprechender Anwendung von § 1288 Abs. 2 BGB zum Erlöschen der Forderung des Zessionars führen.
Normenkette
BGB §§ 388, 398, 406-407, 1275, 1282, 1288 Abs. 2; ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5, §§ 767, 804, 829, 835
Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 20.12.2007; Aktenzeichen 4 O 52/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Koblenz vom 20.12.2007 geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. B. in L. vom 23.7.2001 (Urkundenrolle Nr. 1011 für 2001) in Verbindung mit der auf den Beklagten am 9.9.2005 umgeschriebenen Vollstreckungsklausel wird für unzulässig erklärt.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, sofern die Kläger nicht ihrerseits eine entsprechende Sicherheit leisten.
I. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Mit ihrer Vollstreckungsabwehrklage wenden sich die klagenden Eheleute gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Urkunde vom 23.7.2001. Darin versprachen die Kläger der Zeugin Gisela H. die Zahlung von 300.000 DM. Die Zeugin ist die Schwester der Klägerin und ehemalige Ehefrau des Beklagten.
In einer auf den 15.12.2002 datierten Urkunde trat die Zeugin Gisela H. (Zedentin) die titulierte Forderung an den Beklagten (Zessionar) ab, der dementsprechend nach der im September 2005 erfolgten Klauselumschreibung die Zwangsvollstreckung betreibt.
Die klagende Ehefrau und die Zedentin sind Töchter des am 7.8.2002 verstorbenen Dr. Franz S.. Seine Alleinerbin ist die Enkelin Britta H., eine Tochter der Klägerin. Der Klägerin steht gegen die Erbin ein Pflichtteil von 434.200 EUR zu.
Den Pflichtteilsanspruch ließ die Zedentin am 11.7.2003 wegen ihres (als fortbestehend behaupteten) Anspruchs aus der notariellen Urkunde vom 23.7.2001 pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Unter dem 1.10.2003 trat die Zedentin die Forderung aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss "als Sicherheit" an den Beklagten, ihren Ehemann, ab (Bl. 32 GA).
Die Drittschuldnerin (Alleinerbin) erklärte am 30.7.2004 (Bl. 29 GA) die Aufrechnung mit einer Forderung gegen die Zedentin i.H.v. 1.171.036,30 EUR. Dieser Betrag ist der Drittschuldnerin (Erbin) durch rechtskräftiges Urteil des LG Wiesbaden vom 11.12.2003 zuerkannt worden (Bl. 21 ff. GA). Nach den Feststellungen des im selben Verfahren ergangenen Berufungsurteils des OLG Frankfurt (18 U 11/04 - Bl. 23 - 28 GA) hatte die Zedentin Anfang 2001 von ihrem Vater, dem späteren Erblasser, 1,8 Millionen Schweizer Franken in bar zur Verwahrung erhalten und nach Beendigung des Vertrages nicht zurückgezahlt. Die gegenläufige Zeugenaussage des Ehemannes der Zedentin (Beklagter im vorliegenden Rechtsstreit), der Erblasser habe den genannten Betrag der Zedentin geschenkt, hat das OLG Frankfurt als nicht glaubhaft angesehen.
Streitig ist, ob allein die Zedentin Adressat der Aufrechnungserklärung der Drittschuldnerin vom 30.7.2004 war, oder ob die Gestaltungserklärung sich auch an den Beklagten als Zessionar richtete. Beide wurden seinerzeit von denselben Rechtsanwälten vertreten, die dementsprechend auch Empfänger der Aufrechnungserklärung waren (Bl. 246 und 29 GA).
Unter Hinweis auf die Abtretung vom 1.10.2003 verlangte der Zessionar persönlich am 17.3.2005 von den Klägern die Zahlung der titulierten 300.000 DM nebst Zinsen. Am 9.9.2005 wurde die Vollstreckungsklausel der notariellen Urkunde vom 23.7.2001 dann allerdings unter Bezugnahme auf die Abtretungsvereinbarung vom 15.12.2002 auf den Beklagten umgeschrieben (Bl. 15 GA).
Die Kläger meinen, wegen der am 30.7.2004 erklärten Aufrechnung sei die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde unzulässig. Sie haben behauptet, die angebliche Abtretung vom 15.12.2002 sei rückdatiert.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Abtretung sei am 15.12.2002 erfolgt (gegenbeweislich: Zeugnis der Zedentin). Eine Aufrechnungsforderung der Erbin (Drittschuldnerin) bestehe nicht. Ihm gegenüber entfalte das Urteil des LG Wiesbaden keinerlei Rechtskraftwirkungen. Die Abtretung vom 15.12.2002 hätten die Erbin und der für sie handelnde...