Verfahrensgang
LG Koblenz (Entscheidung vom 27.06.2006; Aktenzeichen 1 O 227/02) |
Tenor
Die Beklagten zu 1., 2. und 3. werden in Abänderung und unter Neufassung des am 27. Juli 2006 verkündeten Urteils der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.225,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juli 2002 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1., 2. und 3. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Schadensereignis vom 28. August 1999 zu ersetzen, soweit nicht ein Forderungsübergang auf einen Sozialversicherungsträger oder einen sonstigen Dritten erfolgt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht tragen die Beklagten zu 1., 2. und 3. als Gesamtschuldner.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu 1., 2. und 3.
als Gesamtschuldner 95 % und der Kläger 5 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Schäden.
In der Nacht vom 27. auf den 28. August 1999 wurden die Polizeibeamten S... und L... zur Gaststätte "..." in N... gerufen, wo es zu einem Streit der alkoholisierten Beklagten mit dem Wirtsehepaar und auch zu körperlichen Übergriffen der Beklagten auf andere Gäste gekommen war. Vor Ort trafen die Beamten etwa 15 bis 25 teilweise stark alkoholisierte und aggressive Personen an; darunter befanden sich auch die Beklagten, die die Gaststätte inzwischen verlassen hatten. Den beiden Polizeibeamten gelang es nicht, die aufgeheizte Stimmung zu entschärfen und die Auseinandersetzung zu beenden. Sie wurden selbst in die Auseinandersetzung mit hineingezogen. Nachdem sich die Situation zunächst etwas beruhigt hatte, bewegten sich die Beklagten gemeinsam auf den Zeugen S... zu, ohne auf dessen Aufforderung stehenzubleiben, zu reagieren. Um sie zu stoppen, gab der Zeuge S... mit seiner Dienstpistole drei Warnschüsse in die Luft ab. Die Beklagten zu 1., 2. und 3. kamen weiter auf den Zeugen zu, der ihnen daraufhin gezielt in die Beine schoss. Unterdessen stand der Kläger mit gezogener Dienstwaffe circa zwei bis drei Meter vom Ort des Geschehens entfernt. Körperliche Verletzungen haben die Beamten bei dem Vorfall nicht davongetragen.
Beide Polizeibeamten versahen ihren Dienst zunächst bis Januar 2000 weiter. Ab dem 24. Januar 2000 war der Kläger dienstunfähig und wurde stationär und ambulant behandelt. Vom 17. Oktober 2000 an war er wieder eingeschränkt dienstfähig, wobei er in der Nachtschicht nicht eingesetzt werden durfte. Seit dem 1. Januar 2001 ist der Kläger wieder uneingeschränkt dienstfähig.
Die Beklagten wurden vom Amtsgericht Lahnstein rechtskräftig wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen und wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu Freiheitsstrafen (auf Bewährung) verurteilt. Dem lagen im Wesentlichen die Geständnisse der Beklagten zu Grunde (Bl. 606 ff. d. BA 2020 Js 46.251/99 StA Koblenz).
Der Kläger hat vorgetragen:
Die Beklagten zu 1. bis 3. hätten die beiden Beamten umzingelt und dabei körperlich sowie verbal mit größter Aggressivität angegriffen. Es habe eine konkrete Gefahr für Leib und Leben der beiden Beamten bestanden. Infolge des Verhaltens der Beklagten und des durch ihre Vorgehensweise ausgelösten, gerechtfertigten Schusswaffengebrauchs durch den Zeugen S... hätte auch er (der Kläger) eine chronische posttraumatische Belastungsreaktion, ein sogenanntes Post-Shooting-Syndrom erlitten.
Der Kläger hat von den Beklagten die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 10.225,84 € nebst Zinsen sowie die Feststellung deren Verantwortlichkeit für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden begehrt.
Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt.
Sie haben vorgetragen:
Der Schusswaffeneinsatz sei weder erforderlich noch gerechtfertigt gewesen. Er stelle sich als eine Überreaktion des Zeugen S... dar. Auch seien die bestrittenen psychischen Beeinträchtigungen nicht durch das streitgegenständliche Geschehen verursacht worden. Sie seien auch für diese Schäden nicht verantwortlich, da diese aus einer alltäglichen Situation im Berufsleben eines Polizeibeamten herrührten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass der geltend gemachte Schaden vom Schutzzweck der in Betracht zu ziehenden Haftungsnormen nicht gedeckt sei. Bei den Polizeibeamten S... und L... habe sich das mit der Wahl ihres Berufes eingegangene Berufsrisiko eines Polizeibeamten verwirklicht und dieses Risiko sei haftungsrechtlich nicht auf die Beklagten in Anbetracht der Gesamtumstände zu verlagern. Auch könne der geltend gemachte Schaden den Beklagten subjektiv nicht zugerec...