Entscheidungsstichwort (Thema)

Bürgenhaftung

 

Leitsatz (amtlich)

Von Geschäftsführern einer GmbH, einflussreichen Gesellschaftern oder von Personen, die auf sonstige Weise Einfluss auf den Hauptschuldner haben, gestellte Globalbürgschaften sind im Regelfall rechtlich unbedenklich, da diese Personen die Art und Höhe der Verbindlichkeiten des Hauptschuldners kennen, bestimmen und beeinflussen können.

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 500/94)

 

Tenor

Das Versäumnisurteil des Senats vom 14. Juni 2000 wird aufrechterhalten.

Der Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Bürgen in Anspruch.

Dieser war zusammen mit … G. Geschäftsführer der M. Im- und Export GmbH, die von der Klägerin umfangreiche Geschäftskredite erhalten hatte. Über das Vermögen der GmbH ist im Jahr 1994 das Konkursverfahren eröffnet worden.

Aus der Anschaffung eines Furukawa-Baggers steht noch eine Restkreditforderung in Höhe von 48.520,27 DM offen. Der Beklagte, der zugesteht, eine Bürgschaftserklärung unterzeichnet zu haben, wendet ein, der Kreditvertrag sei nicht wirksam, denn die GmbH habe nur von beiden Geschäftsführern gemeinsam vertreten werden dürfen. Der Kreditvertrag sei aber von … G. allein abgeschlossen worden. Die Unterschrift auf der Einzelvertretungs-Berechtigungskarte stamme nicht von ihm, Beklagten.

Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme den Beklagten zur Zahlung der noch offenstehenden Darlehensforderung verurteilt, und zwar mit der Begründung, die GmbH sei nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht durch den Geschäftsführer … G. wirksam verpflichtet worden. Der Beklagte hafte daher als Bürge für die Rückführung des Kredits.

Der Beklagte, der gegen das Urteil Berufung eingelegt hat, hält die Bürgschaft wegen der formularmäßig unbegrenzten Zweckerklärung für unwirksam. Darüber hinaus, so der Beklagte, müsse die Klägerin die Handelsregistereintragung, die eine gemeinschaftliche Vertretung ausweise, gegen sich gelten lassen. Einen Nachweis für die Auszahlung der Darlehenssumme habe die Klägerin schließlich nicht erbracht.

Von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

 

Entscheidungsgründe

Auf den zulässigen Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Senats (§§ 388 ff ZPO i.V.m. § 542 ZPO) ist diese Entscheidung aufrecht zu erhalten (§ 343 S. 1 ZPO).

Der Beklagte ist verpflichtet, als Bürge (§ 765 BGB) den unstreitig noch offenstehenden Restsaldo des Kredits mit der Nummer 3730697006 auszugleichen.

1. Die Bürgschaftsverpflichtung ist wirksam.

a) Eine formularmäßige Bürgschaftserklärung, mit der die Haftung auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus seiner bankmäßigen Geschäftsverbindung erweitert wird, kann überraschend sein mit der Folge, dass sie nicht Vertragsbestandteil geworden ist, wenn die Bürgschaft aus Anlass der Gewährung eines Kontokorrentkredits übernommen wird (§ 3 AGBG), denn der Bürge, der sich aus Anlass eines bestimmten der Höhe nach begrenzten Kredits verbürgt, braucht nicht mit einer Formularklausel zu rechnen, wonach die Bürgschaft sich -ohne summenmäßige Beschränkung- auf alle bestehenden und künftigen Forderungen aus der Bankverbindung erstreckt (BGH NJW 1995, 2553).

b) Bürgt jedoch ein Geschäftsführer, ein Allein- oder Mehrheitsgesellschafter, so werden diese durch die formularmäßige Erweiterung der Bürgenhaftung für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht überrascht. Sie können die Art und die Höhe der Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin bestimmen und bedürfen des Schutzes durch § 767 Abs. 1 S. 3 BGB nicht (BGH NJW 1995, 2555 und BGH MDR 2000, 1143/1144).

Der Beklagte war Geschäftsführer der Hauptschuldnerin, der M. Im- und Export GmbH. Er konnte nicht darauf vertrauen, durch § 767 Abs. 1 S. 3 BGB geschützt zu sein und für keine anderen höheren – gegenwärtigen und zukünftigen – Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen zu müssen als die, die ihn zur Übernahme der Bürgschaft veranlasst hatten.

Aus diesem Grund, nämlich der Stellung des Beklagten als Geschäftsführer der GmbH, verstößt der Bürgschaftsvertrag auch nicht wegen unangemessener Benachteiligung gegen § 9 AGBG, und er ist auch nicht gemäß § 138 BGB stittenwidrig aus dem Gesichtspunkt eines unerträglichen Ungleichgewichts zwischen den Vertragspartnern (BGH MDR 2000, 714/716 m.w.N.).

2. Folgt man dem Landgericht und nimmt zumindest aufgrund einer Anscheinsvollmacht einen wirksamen Vertragsschluss an, ergibt sich der Anspruch der Klägerin aus § 607 Abs. 1 BGB.

Schließt man sich dieser Meinung nicht an, ist der Beklagte dennoch verpflichtet, die Darlehensvaluta zurückzuzahlen, und zwar wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Hauptschuldnerin gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.

Auch auf einen solchen Bereicherungsanspruch erstreckt sich im vorliegenden Fall die Bürgenhaftung.

Eine zur Darlehenssicherung bes...

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