Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausübungskontrolle beim Ausschluss des Versorgungsausgleichs
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Sittenwidrigkeit und der Anpassungsbedürftigkeit eines Ehevertrags.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1, § 242
Verfahrensgang
AG Alzey (Urteil vom 22.07.2008; Aktenzeichen 1 F 58/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des AG - FamG - Alzey vom 22.7.2008 zu Ziff. 2) teilweise abgeändert und neu gefasst wie folgt:
Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der Ärzteversorgung N ... - Mitglieds-Nr.:... - werden auf dem Versicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung ... - Vers.-Nr.:... - Rentenanwartschaften i.H.v. 432,45 EUR monatlich, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30.6.2004, begründet.
Die weitergehende Berufung des Antragstellers wird zurückgewiesen, soweit sie den Versorgungsausgleich betrifft.
Die Berufung der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen, soweit sie den Versorgungsausgleich und den Zugewinnausgleich betrifft (Ziff. 2) und 4) des angefochtenen Urteils).
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Gründe
Es wird zunächst auf das angefochtene Urteil zur Sachdarstellung Bezug genommen. Über die Berufungen der Parteien kann entschieden werden, soweit sie den Versorgungausgleich und den Zugewinnausgleich betreffen, während hinsichtlich der den nachehelichen Unterhalt betreffenden Folgesache noch eine Beweisaufnahme erforderlich ist.
I. Das AG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der zwischen den Parteien am 26.8.1977 - URz ... des Notars W. in M. - geschlossene Ehevertrag nicht gem. § 138 BGB sittenwidrig ist. Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle ist zu prüfen, ob die im Ehevertrag getroffenen Vereinbarungen bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führen, dass dem Ehevertrag losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Lebensverhältnisse der Ehegatten wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten, § 138 I BGB (vgl. BGH FamRZ 2004, 601 f., 606).
Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass im Ehevertrag der Parteien keine Regelung bezüglich des Trennungsunterhalts und des nachehelichen Unterhalts getroffen wurde. Der Versorgungsausgleich, der auf derselben Stufe wie der Altersunterhalt einzuordnen ist (vgl. BGH, a.a.O., S. 605) steht zwar vertraglicher Disposition nur begrenzt offen. Vereinbarungen über ihn müssen deshalb nach denselben Kriterien geprüft werden wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht. Als Teilhaber an dem in der Ehe erworbenen Versorgungsvermögen ist der Versorgungsausgleich andererseits aber auch dem Zugewinnausgleich verwandt. Insoweit steht er eher zur Disposition als der nacheheliche Unterhalt.
Es ist hier zu berücksichtigen, dass die Parteien bei Abschluss des Ehevertrages übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass ihre Ehe kinderlos bleiben würde und die Antragsgegnerin aufgrund einer eigenen vollen Berufstätigkeit Versorgungsanwartschaften erwerben würde. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt, dass der Antragsteller in der Ehe keinen Kinderwunsch hatte und sie sich dieser ablehnenden Haltung gegenüber Kindern erst nach mehreren Ehejahren widersetzte. Daher kann hinsichtlich des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs nicht von einer Sittenwidrigkeit des Vertrages ausgegangen werden. Der Umstand, dass fast 9 Jahre nach der Eheschließung die Tochter C. der Parteien und im Jahre 1990 dann auch der Sohn R. geboren wurde und die Antragsgegnerin deshalb zeitweise nicht mehr voll gearbeitet hat, führt nicht zur Sittenwidrigkeit des Vertrags, sondern zur Prüfung, ob und inwieweit es missbräuchlich ist, dass sich der Antragsteller auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs beruft (vgl. BGH, a.a.O., S. 610). Wenn dies angenommen wird, ist eine Anpassung des ehevertraglichen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs an die geänderten Verhältnisse vorzunehmen, wobei die Durchführung des Versorgungsausgleichs im Rahmen dieser Ausübungskontrolle des Ehevertrags auf die ehebedingt entstandenen Versorgungsnachteile des ausgleichsberechtigten Ehegatten beschränkt werden kann (vgl. BGH FamRZ 2005, 185 ff.).
Hiervon geht der Senat im vorliegenden Fall aus. Die Auffassung der Antragsgegnerin, dass eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages auch deswegen anzunehmen sei, weil sie als medizinisch technische Assistentin dem damals bereits als Arzt tätigen Antragsteller strukturell unterlegen gewesen sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Auf eine wirtschaftliche Unterlegenheit der Antragsgegnerin kann nicht abgestellt werden. Sie hat eine abgeschlossene Berufsausbildung und hätte unstreitig auch weiterhin bei ihren Eltern, die ebenfalls Ärzte waren, als MTA arbeiten können. Auf die wirtschaftliche Überlegenheit des...