Leitsatz (amtlich)

›Beim Auffahren von Parkplätzen auf die Straße muss sich ein Kraftfahrer so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Kommt es beim Verlassen des Parkplatzes durch Einbiegen nach links in die Straße zur Kollision mit einem auf der Straße fahrenden Fahrzeug, dann spricht der erste Anschein dafür, dass der in den fließenden Verkehr hinein fahrende Kraftfahrer die ihm dabei obliegenden Sorgfaltspflichten nicht beachtet hat. Dieser haftet dann grundsätzlich allein für die Folgen. Zumindest wenn ein Mitverschulden des Unfallgegners nicht nachgewiesen werden kann, tritt auch dessen Haftung aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zurück.‹

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Entscheidung vom 28.02.2005; Aktenzeichen 5 O 490/02)

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers aufgrund eines Verkehrsunfalls, der sich am 14. September 2001 gegen 16.45 Uhr auf der Landstrasse ... unweit von B..., außerhalb der Ortslage, ereignet hat. Der Kläger befuhr mit seinem Motorrad Suzuki 750 GSX die Landstrasse 318 aus B... kommend in Richtung K.... Die Strasse beschreibt dort eine S-Kurve. Hinter der anfänglichen Rechtskurve liegt dort - in Fahrtrichtung des Klägers gesehen - rechts ein Parkplatz mit zwei Ein- und Ausfahrten; die der Ortslage von B... nächstliegende Ausfahrt befindet sich etwa 40 m hinter der Rechtskurve und ist aus Richtung B... kommend schwer einsehbar. Als sich der Kläger näherte, fuhr der Erstbeklagte mit dem bei der Zweitbeklagten gegen Haftpflicht versicherten Kleintransporter VW LT 28 aus der nach B... nächstgelegenen Ausfahrt des Parkplatzes auf die Landstrasse ... auf, um nach links einzubiegen. Dabei kam es zum Aufprall des Motorrades des Klägers auf die linke Seite des Kleintransporters in Höhe der Fahrertür. Der Kläger wurde leicht verletzt. Er erlitt einen Bluterguss im rechten Kniegelenk und eine Überdehnung des dortigen Kreuzbandes. Der Kläger wurde vom Unfalltag bis zum 9. November 2001 krankgeschrieben. Am 26. November 2001 ließ sich der Kläger von seinem Zahnarzt den Zahn Nr. 4.6., also den sechsten Zahn im linken Unterkiefer, ziehen. Danach stellte sich eine Wundinfektion ein, die operativ in der Universitätsklinik G... versorgt wurde. Die Rechnungen dafür sind durch den nicht krankenversicherten Kläger nicht beglichen worden. Die Parteien streiten darum, ob der zur Zahnextraktion und anschließenden Wundinfektion führende Befund unfallbedingt ist. Bis zum Unfalltag war der Kläger als selbständiger Kurierfahrer tätig. Diese Tätigkeit hat er nach seiner Darstellung seither aufgegeben und lebt jetzt von Sozialhilfe. Für die Zeit, in der er krankgeschrieben war, macht er Verdienstausfall geltend.

Die Zweitbeklagte erklärte vorgerichtlich in einem Schreiben vom 17. Oktober 2001: "Zur Haftung erheben wir keine Einwände". Zugleich teilte sie die Zahlung einer "Entschädigung" mit und leistete 1.500 Euro an den Kläger. Weitere Zahlungen lehnte sie ab.

Der Kläger hat Klage erhoben mit dem Ziel der Erstattung von Fahrtkosten wegen Arztbesuchen, Zahlung von Verdienstausfall und Erstattung von Behandlungskosten, letztere vor allem wegen der kieferchirurgischen Versorgung, sowie mit dem Ziel der Zahlung eines Schmerzensgeldes durch die Beklagten. Er hat vorgetragen, er sei mit einer den örtlichen Verhältnissen angepassten Geschwindigkeit von etwa 50 km/h gefahren und habe den Unfall trotz einer Abwehrbremsung nicht verhindern können, weil der Erstbeklagte unversehens vor ihm aus dem Parkplatz auf die Landstrasse eingebogen gewesen sei. Die Zweitbeklagte habe ihre volle Haftung anerkannt. Seine Knieverletzung sei nicht ausgeheilt; es bestünden weiterhin ein Schmerzbefund und eine Einschränkung der Beweglichkeit des Kniegelenks. Der Zahn Nr. 4.6. sei beim seitlichen Anprall auf das vom Erstbeklagten geführte Fahrzeug verletzt worden, denn es sei zu einer Kopfprellung im Kieferbereich innerhalb des von ihm getragenen Sturzhelms gekommen. Vor dem Unfall habe er keine Zahnschmerzen gehabt, wohl aber danach. Die Zahnextraktion und der operativ versorgte Abszess seien auf den Unfall zurückzuführen. Die unbezahlte, aber gegen ihn titulierte Liquidation wegen der Krankenhausbehandlung sei ein ihm durch den Unfall verursachter Schaden. In der Zeit, in der er krank geschrieben gewesen sei, seien ihm außerdem acht Aufträge als Kurierfahrer für den Transportservice H... S... entgangen, deren Auftragswert sich auf insgesamt 8.528,88 Euro belaufe. Davon seien aufgrund einer Schätzung 20 % wegen ersparter Aufwendungen abzusetzen. Ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro sei angemessen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 14.214,08 Euro zum Ausgleich seines materiellen Schadens sowie eines angemessenen Schmerzensgeldes jeweils nebst Zinsen zu verurteilen und festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm allen künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit Ansprüche n...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge